Schöllkraut - Cheledonium majus

Schöllkraut - Chelidonium majus L.

BOTANISCHER STECKBRIEF

Botanischer Name: Chelidonium majus L.

Volksnamen: Augenkraut, Drudenmilch, Gilbkraut, Goldwurz, Hexenkraut, Krätzenkraut, Lichtkraut, Marienkraut, Schellwurz, Schwalbenkraut, Teufelskraut, Teufelsmilch, Warzenkraut

Pflanzenfamilie:  Mohngewächse (Papaveraceae)

Merkmale:  Mehrjährige, stickstoffliebende, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von bis zu einem Meter erreicht. Stängel und Blätter weich behaart, Blätter wechselständig und buchtig fiederspaltig, ihre Farbe ist oberseits trübgrün, unterseits meergrün. Bei Verletzung der Stängel und Blätter tritt ein sattgelber, bitter schmeckender und ätzender Milchsaft aus.

Vorkommen und Lebensraum: Warme bis gemäßigte Klimazonen Europas, Asiens und Nordafrikas an Zäunen, Schuttplätzen, Gebüschen, Wegrändern und Mauern, in der Nähe von Siedlungen und in verwilderten Gärten. In Nordamerika eingebürgert.

Blütezeit: Mai bis Oktober, Hauptblütezeit im Mai und Juni

Blütenmerkmale und -farbe: Gelbe Blüten mit einer vierblättrigen Krone. Diese bringen dünne Fruchtschoten mit kleinen, schwarzen Samenkörnern hervor.

Geruch und Geschmack: Brennend bitter-scharf schmeckendes Kraut. Kein nennenswerter Eigengeruch.

Sammelhinweise: Das zur Blütezeit gesammelte Kraut soll den niedrigsten, das im Frühherbst gesammelte und getrocknete Kraut den höchsten Alkoloidgehalt haben. Die Wurzeln werden heute nicht mehr genutzt und wurden entweder vor dem Austrieb im März / April oder im Spätherbst (Oktober / November) geerntet.

Verwechslungsgefahr ist wegen des markanten Milchsaftes eigentlich nicht möglich.

Etymologie, Symbolik und Signatur

Über die Entstehung des Namens Schöllkraut gibt es Ungereimtheiten. Einige antike Naturbeobachter wie Theophrast oder Plinius  sahen einen Zusammenhang zwischen der Blütezeit des Schöllkrauts und den Schwalben. Mit der Ankunft der gefiederten Freunde beginnt das Kraut zu blühen, beim Wegzug spätestens im Oktober / November verblüht es. Aus dem griechischen Wort Schwalbe = chelidṓn soll dann über das lateinische "chelidonium" der deutsche Name Schöllkraut entstanden sein. Über diese Begebenheit dichtete auch die englische Autorin Cicely Mary Marker. "Liebe Schwalbe - ist's Frühling, dann zeigst du dich. Liebe Schwalbe - im Frühling, blühe auch ich! Die Artbezeichnung majus ist lateinischen Ursprungs und bedeutet größer. Mit Chelidonium minus wurde in früherer Zeit häufig das Scharbockskraut (Ranuculus ficara) bezeichnet. Deshalb war die Unterscheidung der nicht verwandten Kräuter wichtig.

Eine andere Erklärung für die Namensgebung des im Volksmund genannten Schwalbenkrauts sind die schotenähnlichen und lang zugespitzten Früchte, die an den Schwalbenschwanz erinnern. Beide Deutungen haben jedoch keine botanische Erklärungskraft. Warzenkraut oder Krätzenkraut sind weitere regionale Bezeichnungen, weil sich mit dem sattgelben Milchsaft Warzen erfolgreich behandeln lassen.

Die Signatur des gelbblühenden Krauts mit dem dottergelben Saft scheint da etwas klarer. Paracelsus und andere Signaturkundige sahen darin ein Zeichen der Heilkraft für Galle und Leber, die sich in einem ständigen Erneuerungsprozess befindet. In der ganzen Pflanze strömt ein sattgelber Milchsaft, der wie Gallenflüssigkeit aussieht. Dieser reizt und ätzt beim Auftupfen auf Haut und Schleimhäute, womit die Aggressivität der Leber-Galle-Patienten symbolisiert wird. Tatsächlich konnte die Wissenschaft sowohl eine Wirkung auf das Gallenorgan als auch die Leber bestätigen.

Zudem wirkt die Farbe gelb stimmungsaufhellend. Deshalb ist das Schöllkraut energetisch bei allen seelischen Zuständen wirksam, die durch unterdrückte Aggressionen entstanden sind und zu "vergifteten" Situationen führen. Cholerische Menschen, denen vor Ärger "die Galle überläuft" und unter (rechtsseitigen) krampfartigen Beschwerden im Oberbauch leiden werden durch feinstoffliche Gaben wieder friedfertiger und ausgeglichener. Unsere Altvorderen hatten noch intuitiven Zugang zu solchen Phänomen. Sie sahen in den lichten Blüten und dem Saft eine schutzmagische Wirkung, das die Psyche von Dämonen befreien kann.

Die kleinen schwarzen Samen werden durch Ameisen verschleppt. So geraten diese in Spalten senkrechter Mauern, wo sie keimen können. Es gibt noch weitere "Mauerblümchen", wie beispielsweise den Löwenzahn, die tatsächlich in zweierlei Hinsicht steinbrechende Kräfte haben. Zum einen siedeln sie sich auf Mauern, Beton und in Asphaltritzen an, andererseits sind sie auch in der Lage, Gallengrieß oder Gallensteine auszutreiben. "Du wirst dir merken, dass ein steinbrechendes Mittel einen Stein leicht bricht" war einer der Merksätze des Universalgelehrten Paracelsus.

Brauchtum und Sagenhaftes

Den dottergelben Milchsaft des Schöllkrauts hat das Volk schon seit langer Zeit gerne zum Betupfen der Warzen benutzt. Je nach regionaler Vorstellung soll er dann besonders wirksam sein, wenn das am Friedhof oder am Kirchhof bzw. das an einem Freitag bei abnehmendem Mond gepflückte Kraut verwendet wird. Etwas befremdlich klingt es, die Warzen während einer Beerdigung zu betupfen, dem wohl der sympathetische (Aber-)Glaube zugrunde liegt, dass mit der Verwesung des Toten die Warzen verschwinden. Früher war es üblich, gleichzeitig beim Betupfen der Warzen einen Bannspruch aufzusagen, wie etwa:

Warze, Warze weiche,
reit' auf einer Leiche,
auf dem Fluss der Zeit davon.
Im Namen des Vaters (pusten),
des Sohnes (pusten)
und des Heiligen Geistes (pusten).

Mehrere Legenden beziehen sich auf die Heilkraft der Augen. So sollen nach den Aufzeichnungen des Plinius Schwalben das Augenkraut sammeln um damit ihre erblindeten Jungen heilen. Auch bei trüben Augen steckte man gerne die Wurzel in ein Säcklein, hängte es um Hals und hoffte auf klare Sicht. Darauf deutet auch die alte Benennung Lichtkraut hin. Der Medizinprofessor Tabernaemontanus (1522 - 1590) hebt ebenfalls die Wirkung des Schöllkrauts auf die Augen hervor.  In der Tat hat sich Schöllkraut in potenzierter Form zur Anregung der Tränensekretion bewährt.

Auch eher kuriose Anwendungen fand das Schöllkraut in seiner Geschichte: Alchemisten suchten nach dem "Stein des Weisen" und versuchten aus der gelben Pflanze Gold zu machen, was im Volksnamen Goldwurz zum Ausdruck kommt.

PHARMAKOLOGIE

Verwendete Pflanzenteile: Schöllkraut, aus den zur Blütezeit getrockneten, oberirdischen Teilen (Chelidonii herba), selten die Schöllkrautwurzel (Chelidonii radix)

Wirkstoffe: Verschiedene Alkaloide, die den Opiumalkaloiden nahestehen. Die Konzentration im Wurzelstock beträgt je nach Jahreszeit und Standort bis zu 2 %; im frischen, krautigen Pflanzenteil etwa 0,5 %. Das Hauptalkaloid unter den etwa 30 bekannten Alkaloiden ist Coptisin, daneben Chelidonin (vor allem in der Wurzel), Berberin, Chelerythrin, Spartein, Sanguinarin und Celidoxanthin sowie Flavonoide und Carotinoide

Wirkspektrum auf einen Blick: krampflösend, galleflußfördernd, cholekinetisch, entzündungshemmend, schwach schmerzlindernd, zentral -sedativ, augenheilend, hustenlindernd, viruzid

Indikationen: Funktionsbeschwerden von Gallenblase und Gallengängen, Asthma, äußerlich bei Hautproblemen (Warzen). Kommission E: Krampfartige Beschwerden im Bereich der Gallenwege und des Magen-Darm-Trakts

Sicherheitshinweise: Die Abwägung von Nutzen und Risiko obliegt im Verantwortungsbereich des Therapeuten! Über die Toxikologie gibt es widersprüchliche Aussagen. Gegenanzeigen bestehen bei bestehender Lebererkrankung sowie während der Schwangerschaft, Stillzeit und bei Kindern unter 12 Jahren ebenso wie bei Verschluss der Gallenwege, operationspflichtigen Gallensteinerkrankungen und Einnahme leberschädigender Medikamente. Überdosierungen können zu gastrointestinalen Krämpfen, Harndrang, Hämaturie und Benommenheit führen. Bei Eintreten dieser Symptome die Einnahme sofort stoppen (ESCOP).

Das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) hält die tägliche Einnahme von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden aus dem Schöllkraut aufgrund möglicher Schädigungen der Leber für nicht vertretbar und hat daher im April 2008 die Zulassung für Arzneimittel mit höherer Dosierung widerrufen. Für Arzneimittel, in denen Schöllkraut niedriger dosiert enthalten ist, fordert das BfArM Änderungen der Produktinformationen, d.h. ausführlichere Warnungen im Beipackzettel.

Diese Warnung gilt jedoch nicht für homöopathische oder spagyrische (Verfahren nach Zimpel) Arzneimittel und die äußere Anwendung, wie Augentropfen. Bei Hautkontakt mit dem Pflanzensaft kann es zu Hautreizungen kommen.


Heilanwendung

Schon von alters her ist Schöllkraut eine beliebte und starke Heilpflanze für Leber und Galle. Dioskurides sprach von einer Pflanze mit safrangelbem Saft namens Chelidonion, die mit Anis und Wein eingenommen, den Gelbsüchtigen gute Dienste leistete. Die frühneuzeitlichen Kräuterbuchautoren setzten diese alte Tradition fort. So erklärte der Medizinprofessor Tabernaemontanus (1520 - 1590) in seinem wirkmächtigen Kreuterbuch: "Schellkrautwurtzel gesäubert / und mit Anißsaamen in weissem Wein gesotten / und darvon etliche Tage Morgens und Abends jedesmal ein Mackelbecherlein voll warm getrunken / treibet aus die Geelsucht / und eröffnet die Verstopffung der Leber".

Als Verwandter des Schlafmohns haben die Alkaloide des Schöllkrauts in ihrer Summenwirkung eine leicht narkotisierende und krampflösende Wirkung auf die glatte Muskulatur, wie sie in den Gallengängen und der Darmmuskulatur vorkommen. Das Alkaloid Chelidonin hat beispielsweise spasmolytische und analgetische Eigenschaften. Eine erhöhte Ausscheidung der Verdauungssäfte α-Amylase, Lipase und Bilirubin durch Schöllkraut konnte bestätigt werden. Die traditionellen Heilanwendungen sind Leberstörungen mit Gallensteinen und Gelbsucht, mangelnde Fettverdauung, chronische Darmstörungen und wegen der kampflösenden Wirkung auch bei Asthma.

Ein äußeres Anwendungsgebiet dieser Heilpflanze sind Warzen. Der sattgelbe Milchsaft wird aufgrund der viruziden Wirkung direkt täglich über einen längeren Zeitraum auf Warzen aufgetragen. Er muss eintrocknen und möglichst lange dort verbleiben, sollte jedoch nicht mit gesunden Hautpartien in Kontakt kommen. Ob dazu ein Bannspruch (s. o.) aufgesagt wird, bleibt jedem selbst überlassen. Diese bildhafte Vorstellung schadet nicht und kann tatsächlich zum Heilungsprozess beitragen.

Eine weitere äußere Heilanwendung diesmal in potenzierter Form ist die Anregung der körpereigenen Tränensekretion bei trockener Bindehautentzündung und trockener Bindehaut als Augentropfen. Diese Symptome kommen häufig bei trockener Raumluft im Winter, durch PC-Arbeit oder durch Grunderkrankungen, wie Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Rheuma, hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren oder Medikamente (Betablocker, Psychopharmaka) vor.

Das Homöopathikum Chelidonium majus wird aus der frischen Wurzel bereitet. Es gilt als hervorragendes Leber- und Gallemittel mit schnellem Wirkungsbeginn. Beschwerden in Leber, Gallenblase und den Gallengängen mit Schmerzprojektionen in die rechte Schulter, Nierenkolik,  gelbliche Haut und Skleren, auch harte, träge Stühle sowie Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen sind sichere Leitsymptome. Zudem wirkt das Mittel bei rechtsseitigen Neuralgien und Muskelrheumatismus und als Begleitmittel bei Hepatitis, Entzündungen der Atemorgane (Pneumonie) und des Rippenfells, rechtsseitiger Migräne (Beginn vormittags), Alkohol- und Drogenabhängigkeit.

Rezept

Aufguss
Ein halben bis ganzen Teelöffel (0,5 bis 1 g) des getrockneten Krauts (Chelidonii herba) mit 150 ml kochendem Wasser überbrühen und 10 Minuten ausziehen lassen, danach abseihen. Zwei- bis dreimal täglich eine Tasse zwischen den Mahlzeiten. Die mittlere Tagesdosis beträgt zwei bis fünf Gramm des Krauts.

Hinweis: Obwohl der Alkaloidgehalt der während der Blütezeit geernteten Blätter besonders niedrig sein soll, muss Schöllkraut in der Phytotherapie umsichtig dosiert werden. Nicht länger als vier Wochen anwenden, danach eine Einnahmepause einlegen (Ross, 2009). Es wird empfohlen, Medikamente mit standardisiertem Alkaloidgehalt zu bevorzugen. Eine sichere Anwendung bieten in diesem Fall die homöopathischen oder spagyrischen Zubereitungen.

LITERATUR
Bächtold-Stäubli, Hanns, unter Mitwirkung von Hoffmann-Krayer, Eduard: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Walter de Gruyter Berlin, 2000
Boericke, William: Handbuch der homöopathischen Materia medica, Karl F. Haug Verlag, Heidelberg, 1996
Bühring, Ursel: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, 2011
Marzell, Heinrich: Geschichte und Volkskunde der deutschen Heilpflanzen, Neudruck der Ausgabe 1938, vermehrt um ein Register, 1938 Hippokrates Verlag, Reichl Verlag, St. Goar, 2002
Müller, Irmgard: Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen, Verlag Herder GmbH, 2008
Ross, Jeremy: Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin - Ein klinische Materia Medica, Verlag für Ganzheitliche Medizin Dr. Erich Wühr GmbH, Bad Kötzting / Bayer. Wald, 2009
Tabernaemontanus, Jacobus Theodorus: Neu vollkommen Kreuterbuch, Reprint der Ausgabe 1731, Konrad Kölbl, München, 1970
Van Wyk, Ben-Erik / Wink, Coralie / Wink, Michael: Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2004
Wichtl, Max: Teedrogen und Phytophyarmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2009

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