Sauerampfer - Rumex acetosa

Arzneimittel und Küchenkraut zugleich: Sauerampfer (Rumex acetosa)

Sauerampfer wird oft als Wiesenunkraut betrachtet. Er ist in ganz Europa und Teilen Asiens bis in Höhenlagen von 1500 m heimisch. Wir finden ihn wildwachsend auf feuchten Wiesen, an Hecken, Gebüschen und Wegrändern. Bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war Sauerampfer noch ein bekanntes Heil- und Nahrungsmittel der einfachen Bauern. Während die Schulmedizin das Kraut nicht verwendet, ist es in der Erfahrungsheilkunde nach wie vor noch ein beliebtes Heilmittel, das vor allem bei Frühjahrskuren Anwendung findet.

Die anspruchslosen Knöterichgewächse

Sowohl der Große Sauerampfer (Rumex acetosa L., syn. Acetosa pratensis Mill.) als auch der Kleine Sauerampfer (Rumex acetosella L.) sind ausdauernde und recht anspruchslose Kräuter aus der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae). Während der Große Sauerampfer am besten auf nährstoffreichen, feuchten Böden in halbschattiger Lage gedeiht, bevorzug der Kleine Sauerampfer eher trockene, sandige und nährstoffarme Böden. In nassen Jahren tritt Rumex acetosa deshalb auf Kulturwiesen auch in großen Massen auf. Sauerampfer ist ein Stickstoffanzeiger und in ganz Mitteleuropa, Eurasien und Nordamerika auf Wiesen und Grasplätzen zu finden. Auf den nährstoffreichen Bergwiesen und in den Bergwäldern Europas ist noch eine weitere Sauerampferart heimisch: Der Berg-Sauerampfer (Rumex arifolius), dessen Blütezeit vermutlich wegen des späteren Vegetationsbeginns erst im Juni beginnt.

Kennzeichnend für Rumex acetosa sind seine grasgrünen, langgestielten und pfeilförmigen Blätter mit dem säuerlichen Geschmack. Der gefurchte Stängel der zweihäusigen Pflanze ist unten oft rötlich gefärbt. Während der Große Sauerampfer eine Höhe von bis zu einem Meter erreichen kann, wächst sein kleiner Verwandter nur etwa 40 cm in die Höhe. Die unscheinbaren kleinen, rötlichen Blüten stehen in lockeren Rispen und zeigen sich von Mai bis Juni. Aus ihnen wachsen dreikantige Früchte (botanisch Nüsse) mit grüner oder braunroter Färbung. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Rumex acetosa, der am häufigsten Verwendung in Küche und Heilkunde findet.

Seinen Namen erhielt der Ampfer wegen des sauren und bitteren Geschmacks. Das mittelhochdeutsche Wort "amper" bedeutet "sauer, scharf, bitter". Wohl wegen der Vorliebe für feuchte Standorte wurde der Gattungsname Rumex gewählt, der dem Griechischen entstammt und soviel wie Fluss bedeutet. Im Artnamen acetosa (lat. acetum = Essig) finden wir einen Hinweis auf den säuerlichen Geschmack des Krauts. Je nach Region ist Sauerampfer auch unter Amper, Buchampfer, Feldampfer, Sauergras, Sauerhanf, Sauerlumpe, Sauersenf, Saustampfer, Surhampfel oder Wiesen-Sauerampfer bekannt.

Auch im Aberglauben und der Sagenwelt hat das allseits bekannte Kraut einen Platz erobert. Im Bergischen, in Oberbayern und der Schweiz geht bei den Alten die Sage um, dass der Genuss des Sauerampfers Läuse verursacht, besonders dann, wenn er mit Blüten oder Früchten gegessen wird. Man vermutet, dass diese Mär daher kommt, dass Sauerampfer vor allem in Notzeiten gegessen wurde, in der häufiger Parasiten auftraten. Möglich ist auch, dass die Signatur der vielen kleinen Früchte des Ampfers auf Läuse oder andere Parasiten hindeutet. Und selbst als Liebesorakel diente die Pflanze: Die heiratsfähigen Mädchen haben früher die Wurzel gegraben. Aus der Richtung, in welche die Wurzel zeigte, sollte der künftige Mann kommen.

Wirkstoffe und Wirkspektrum

Die Inhaltsstoffe aller Ampfer-Arten sind recht ähnlich. Im Kraut finden sich etwa 3,2 g Eiweiß, 1,2 g Kohlenhydrate, 2 g Ballaststoffe, ca. 0,8 g Mineralstoffe (Kalium, Magnesium, Calcium, Eisen, Mangan), reichlich Provitamin A und Vitamin C, Oxalsäure, Kieselsäure, Gerbstoffe, Flavonoide und Rumicin. Das Wirkspektrum in stofflichen Dosen kann als abführend, entgiftend, blutreinigend, tonisierend, wundheilend und appetitanregend zusammengefasst werden, während es homöopathisch bei Husten, Krämpfen und Hautleiden wirksam ist.

Was die alten Gelehrten wussten

Schon die Griechen, Römer und mittelalterlichen Mönche bauten Ampfer an und in den europäischen Bauerngärten ist er nach wie vor Bestand für Nahrungs- und Heilzwecke vor allem als kühlendes und stuhltreibendes Mittel bei Verstopfung.

Der italienische Arzt und Botaniker Petri  Andreae Matthioli  beschrieb im 16. Jahrhundert die kühlende Wirkung des Sauerampfers oder "Oxalis seu Acetosa" sogar als wirksames Mittel gegen das Pestfieber: "Sauerampferwasser wirdt fürnemlich getruncken / in den jnnerlichen / hitzigen / oder auch Pestilentzischen febern / dann es kühlet / lescht den durst / vnnd widerstrebt der feule".

Der Stadtarzt von Bern, Otto Brunfels, empfahl einst den Gebrauch von gesottenen "Saurampffer"-Blättern bei "zan wee" und verschrieb Ampferblätter im Badewasser gegen Juckreiz. Sowohl die äußere Anwendung der Abkochung bei Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut als auch die Verwendung in potenzierter Form bei Hauterkrankungen, die mit Juckreiz verbunden sind, sind noch heute gängige Anwendungsgebiete.

Erfahrungsheilkunde

Die Kombination der verschiedenen Inhaltsstoffe bewirkt ein relativ großes Anwendungsspektrum in der Heilkunde. Sauerampfer wirkt wie alle Ampferarten leicht abführend und entgiftend. Durch diese Eigenschaft hat das Kraut eine traditionelle Anwendung bei leichter Verstopfung und als "reinigendes Mittel" bei Frühjahrskuren. Zudem hat der Verzehr des frischen Grüns in den ersten Frühjahrsmonaten durch den hohen Vitamin C-Gehalt sicher schon manch einen unserer Vorfahren vor dem Skorbut mit Zahnfleischbluten, Infektanfälligkeit, Erschöpfung und schlecht heilenden Wunden gerettet. Auch werden die Eisenreserven wieder aufgefüllt - auch wenn die Eisenresorption bei oxalsäurehaltigen Gemüsen nicht ganz so ergiebig ist. Das essentielle Spurenelement dient der Zellatmung und Bildung roter Blutkörperchen. Als Ingredienz bei Frühjahrskuren sollte man Sauerampfer wegen der unerwünschten Nebenwirkungen der Oxalsäuren nicht länger als zwei Wochen einnehmen.

Mitunter wird Sauerampferkraut auch in der modernen Pflanzenheilkunde in Fertigarzneimitteln verwendet. Die hochwirksamen Inhaltsstoffe verflüssigen und lösen den zähen Schleim in den oberen Atemwegen und Nasennebenhöhlen. Zudem wirken sie entzündungshemmend, antibakteriell und beeinflussen das gesamte Immunsystem positiv.

Auch äußerlich kann das Kraut bei Hauterkrankungen verwendet werden. Durch den Gehalt an Gerbstoffen wirkt es adstringierend auf den Körper. Adstringierende Mittel bilden durch Eiweißausfällungen Membrane im Körper, die den obersten Gewebsschichten Wasser entzieht und die Gewebe festigt. Dadurch kann sich zum Beispiel über Wunden und Schleimhäuten eine Schutzschicht bilden, die entzündungshemmend, schmerzstillend, keimhemmend, austrocknend und blutstillend wirkt. In der Volksmedizin wird deshalb vor allem die äußere Anwendung des Tees als Gurgelmittel bei Erkrankungen der Mundschleimhaut, des Zahnfleischs oder als Waschung bei Hautleiden genutzt.

Die Blätter des Sauerampfers sind auch eine Wiesenapotheke und Hausmittel zur äußeren Anwendung bei kleineren Verletzungen, die schon mal im Freien passieren. Bei wund gelaufenen Füßen, geschwollenen Knien, Sonnenbrand oder kleineren Verbrennungen wirken die Umschläge der Blätter kühlend und abschwellend. Wegen einer möglichen Infektionsgefahr die Blätter jedoch nicht auf offene Wunden auflegen.

Rumex acetosa wird auch in potenzierter Form als Arzneimittel verwendet. Das Ausgangsmaterial sind die frischen unterirdischen Teile, die im Frühjahr gegraben werden. Rumex acetosa wird vor allem bei Reizhusten, Hauterkrankungen, Durchfall, Krämpfen und Lungenerkrankungen verordnet. Meist wird das Mittel als Urtinktur oder in niederen Potenzen (D1 bis D3) verwendet.

Suppengewürz und Salatbeigabe

Als Küchenkraut eignen sich vorzugsweise die jungen, frischen Blätter des Sauerampfers vor der Blüte, da beim Trocknen ein Großteil der Würzkraft verloren geht. Die Oxalsäure verleiht ihnen den sauren und bitteren Geschmack. Es ist ratsam, die Blätter vor dem Sammeln zu probieren, da es zu Verwechslungen mit anderen Ampferarten kommen kann und manche einen unangenehm bitteren Geschmack haben.

Sauerampfer-Blätter ergeben ein ausgezeichnetes Frühjahrsgemüse und können mit Mehlschwitze und Sahne wie Spinat oder püriert für Suppen verwendet werden. Kleingehackt eignen sich die jungen zarten Blätter in Salaten und werden häufig in Verbindung mit anderen Wildkräutern, wie Löwenzahn und Vogelmiere, gegessen. Eine weitere Variation ist eine Kräuterfüllung zu Omeletts, Aufläufen und Pürees oder als farbgebende und würzende Zutat für Kräuterbutter, Quark und Frischkäsezubereitungen. Für Goethes Leibgericht, die Frankfurter Grüne Soße, braucht es neben Eiern, Zwiebeln, Senf, Gewürzgurke und Mayonnaise auch 7 Kräuter, zu denen in jedem Fall auch Sauerampfer zählt. Die Samen lassen sich gemahlen oder ungemahlen als Brotgewürz verwenden oder als Würze über Salate und Gemüsegerichte streuen.

Zum Konservieren können die Blätter kurz gekocht, blanchiert und tiefgefroren werden. Sauerampfer sollte nicht im Eisentopf gekocht werden, da das Kraut sonst einen unangenehmen metallischen Geschmack erhält.

Sammelhinweise und Rezept

Das Kraut entweder frisch, kurz vor oder zu Beginn der Blütezeit dicht über dem Boden abschneiden, bündeln und an einem schattigen und luftigen Ort trocknen. Wegen des hohen Wassergehalts der Blätter und um Schimmelbefall zu vermeiden empfiehlt es sich, diese einzeln auf Gitterrosten auszulegen.

Aufguss zur Blutreinigung und Frühjahrskur, bei Hauterkrankungen und als Gurgellösung
1 – 2 gehäufte TL Sauerampferkraut (Rumicis acetosae herba) mit 250 m l heißem Wasser übergießen, 10 min ziehen lassen. Die Tagesdosis von zwei Tassen nicht überschreiten.
Der unverdünnte Aufguss kann auch äußerlich für Hautwaschungen oder als Gurgellösung bei Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut verwendet werden.

Bitte beachten

Sauerampfer wird wegen des relativ hohen Gehalts an Kaliumoxalat als gering giftig eingestuft. Vor allem bei Kindern kam es durch den Verzehr sehr großer Mengen Ampferblätter in einigen wenigen Fällen zu einer ausgeprägten Oxalatvergiftung mit Durchfall, Erbrechen, Magenschleimhaut-Entzündung mit Blutbeimengungen, unregelmäßigem Puls, sinkendem Blutdruck, Krämpfen, Lähmungen, Kreislaufschwäche bis hin zum Tod. Patienten mit Entzündungen des Magen-Darm-Trakts oder einer Neigung zu Gicht und Nierensteinen vom Calzium-Oxalattyp, sollten Sauerampfer sehr vorsichtig dosieren oder ganz meiden. Erste Hilfe-Maßnahmen bei Vergiftungen ist die Gabe von Kohle-Pulvis oder das Herbeiführen von Erbrechen. Bei starken Vergiftungserscheinungen ist eine Klinikeinweisung mit Magenspülung, Kontrolle der Nierenfunktion und Alkalisierung angezeigt. Zudem besteht auch Vergiftungsgefahr für das Weidetier. Während Rinder relativ widerstandsfähig sind, reagieren vor allem Schafe besonders empfindlich auf das Kraut. Mitunter sind die Pollen verschiedener Ampferarten Auslöser einer inhalativen Allergie.

Alle Rumexarten gehören zu einer kleinen Gruppe stoffwechselumstimmender Kräuter, bei denen sich Hauterkrankungen oder Arthritis verschlimmern können. Deshalb sollten sie bei diesen Krankheitsbildern umsichtig dosiert und erst allmählich erhöht werden. Dies trifft sowohl für die Verwendung in der Küche als auch die arzneiliche Verwendung zu.

LITERATUR
Ritter Claudia: Heimische Nahrungspflanzen als Heilmittel, AT Verlag, Aarau Schweiz, 2013
Roth L., Daunderer M., Kormann K.: Giftpflanzen - Pflanzengifte, Sonderausgabe 2012 für Nikol Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg

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