Mariendistel - Sylibum marianum

Mariendistel - Sylibum marianum
SAGENHAFTES
Die heilige Maria war die Namensgeberin des Artnamens marianus sowie des deutschen Namens Mariendistel. Eine alte Legende berichtet, dass die weißen Streifen der Blätter von der Milch der Muttergottes herrühren sollen. Auf der Flucht nach Ägypten wollte sie an einem ruhigen Platz ihr Kind stillen und suchte das schützende Blätterdach der Mariendistel auf. Einige Tropfen Milch fielen auf die Blätter und seither ist die Mariendistel weiß gestreift.
NAMENSDEUTUNG
Weil sie eine Distel ist und kratzt, haben sie Botaniker Carduus (lat. caridus = kratzend) genannt. Die heutige gängigere Gattungsbezeichnung Silybum geht auf das griechische Wort síllybon (= Quaste) zurück, womit wohl die auffällig violett leuchtenden kugelförmigen Korbblütenstände gemeint sind. Wie wir schon oben gelesen haben, soll die heilige Maria Namensgeberin des Artnamens marianus sowie des deutschen Namens Mariendistel sein.
SIGNATUR
Pflanzen mit Stacheln und Dornen gelten in der Signaturenlehre generell als entgiftend und umstimmend auf die Säfte. Sie stärken die Willenskräfte sowie das Immunsystem und regen Vitalität und Ausscheidungen an. Führen wir uns die Signatur der Mariendistel vor Augen, erkennen wir in ihrer Gestalt eine Pflanze, die hoch hinaus will. Mit ihren spitzen Stacheln schafft sie sich Respekt und hält alle, die ihr zu nahe kommen könnten auf sicherem Abstand. Selbst das purpurrote Blütenköpfchen zeigt noch ein stacheliges Aussehen. Das Wesen der Pflanze ist Abgrenzung, Schutz und Individualität. Sie schützt auf psychischer Ebene die eigene Persönlichkeit vor Angriffen und Manipulation in Partnerschaften und Beruf und übernimmt auf körperlicher Ebene eine Schutzfunktion der Leber, deren Aufgabe es u. a. ist, Toxine auszuleiten.
Die Mariendistel wächst gerne auf verdichteten Böden und auf körperlicher Ebene tritt sie tatsächlich den krankhaften Verhärtungsprozessen der Leber entgegen. Die Konsistenz der gesunden Leber ist eher weich-elastisch. Übrigens verwendeten die alten Signaturkundigen die Pflanze schon immer gegen "Seitenstechen". Wenn der Patient über stechende Schmerzen klagt, dann verordnet man eben dornige oder stachelige Leberpflanzen wie die Mariendistel, denn die Stacheln und Dornen stellen sich als Spiegelbilder der Krankheit dar. Die hellen Blattadern zeigen zudem eine Sympathie zur hellgelben Lymphe, die als "Spezialist" für den Abtransport von Schadstoffen gilt.
BOTANISCHER STECKBRIEFBotanische Namen: Carduus marianus L., Silybum marianum (L.) Gaerntn., Mariana mariana (L.) Hill. Pflanzenfamilie: Korbblütengewächs (Asteraceae) Volksnamen: Christi Krone, Fieberdistel, Frauendistel, Gallendistel, Gottesgnadenkraut, Heilandsdistel, Leberdistel, Liebfrauendistel, Marienkörner, Milchdistel, Stechkörner, Weißdistel Merkmale: Zweijähriges, bis zu 150 cm hohes Korbblütengewächs. Im ersten Jahr bildet die Mariendistel eine Grundrosette mit stark gewellten, stacheligen und weiß marmorierten Blättern. Fährt man mit dem Finger unter leichtem Druck über die Blätter, verschwindet die weiße Zeichnung, da die Oberhaut an diesen Stellen durch luftgefüllte kleine Polster abgehoben ist. Erst im zweiten Vegetationsjahr treibt die Blüte. Die Samen sind eirund und platt. Sie enthalten einen hellen, öligen Kern mit grau-bräunlicher Schale. Vorkommen und Lebensraum: Trockene, warme und steinige Plätze der Mittelmeerregion, Kleinasiens und Nordafrika. Verwildert bis nach Dänemark und Mittelrußland an trockenen Bahndämmen und Ödland zu finden. Als Arzneipflanze in den europäischen Gärten und in Kulturen gezogen. Blütezeit: Juli bis August Blütenmerkmale und -farbe: Bis zu 6 cm große, endständig verzweigte, dornige, kugelförmige Blütenkörbchen mit purpurnen Röhrenblüten. Aus ihnen entwickeln sich Früchte - anfangs noch mit einer seidigen Haarkrone (Pappus). Äußere Hüllblätter mit kräftigen Stacheln. Sammelhinweise: Während in Deutschland der Neophyt aus dem Mittelmeerraum nicht geschützt und als nicht gefährdet gilt, sind die Bestände in der Schweiz und in Teilen Österreichs gefährdet. Mariendistelfrüchte nach der Blütezeit im Spätsommer bis Frühherbst ohne Haarkrone sammeln. An einem luftigen, trockenen Ort trocknen. Wegen der Härte vor der Weiterverarbeitung schroten. Das Kraut kurz vor oder zu Beginn der Blüte ernten. |
ÜBERLIEFERTES KRÄUTERWISSEN
Im ersten nachchristlichen Jahrhundert vermischte Dioskurides die Wurzeln mit vergorenem Honigsaft und setzte sie als Brechmittel bei Vergiftungen ein. Während in der Antike die Mariendistel nur eine geringe medizinische Bedeutung hatte, nutzten die Mönche und Nonnen des Mittelalters die neu erworbene Pflanze aus den Mittelmeerländern häufig als Heilpflanze. Hildegard von Bingen und Adam Lonitzer nannten sie "vehedistel" (vehe = Schmerzen). Beide empfehlen die Anwendung der Samen bei Herzstechen und Stechen in anderen Organen. Lonitzer wusste bereits um spezifische Wirkung auf die Leber: "Tüchlin in dem Wasser genetzt / und übergelegt / ist es gut zu der entzündeten Leber...". Zudem nutzte er die Pflanze generell gegen alle Gifte und die Pest.
Die Mariendistel ist ein Paradebeispiel für eine über Jahrhunderte empirisch genutzte Heilpflanze. Der deutsche Arzt Johann Gottfried Rademacher (1772 - 1850) propagierte die Mariendistel und fertigte daraus die nach ihm benannte Rademacher'sche Tinktur, die er zur Behandlung von Leber-, Milz- und Gallenleiden verordnete.
WILDKRÄUTERKÜCHE
Für herzhafte Brote eigen sich die Früchte (Samen) als Backzutat. Etwa 50 Gramm einem Kilo Brotteig zugeben. Ansonsten lassen sich die hartschaligen Früchte kaum in der Küche verwenden. Pedanios Dioskurides (1. Jahrhundert nach Chr.) berichtet in seinen überlieferten Werken, dass die jungen Pflanzen zu seiner Zeit mit Öl und Salz gekocht und verspeist wurden. Die stacheligen Blütenknospen können wie Artischocken in Salzwasser zubereitet werden. Grundsätzlich lassen sich die Blätter roh in Salaten oder gekocht wie Spinat verspeisen, die jedoch zuerst von ihren Stacheln befreit werden müssen. Die Stängel verarbeitet man in den Frühjahrsmonaten (April und Mai) als spargelähnliches Gemüse und die etwas nach Pastinake schmeckende Wurzel ganzjährig wie anderes Wurzelgemüse auch.
PHARMAKOLOGIEVerwendete Pflanzenteile: Reife, vom Pappus befreite Früchte (Cardui mariae fructus / Silybi mariani fructus), selten das Mariendistelkraut (Cardui mariae herba) Wirkstoffe: Früchte: 1-3 % Silymarin bestehend aus den drei Hauptverbindungen Silybinin, Silychristin und Silydianin, Flavonoide (Quercetin, Kämpferol), 20 - 30% fettes Öl mit etwa 60% Linolsäure, Vitamin E, Sterole, Schleimstoffe, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Eiweiß. Wirkspektrum: leberschützend und -regenerierend, schwach galletreibend, stuhlerweichend, cholesterinsenkend, entzündungshemmend, krebshemmend, oxidationshemmend Heilanzeigen: Toxische Leberschäden, chronisch-entzündliche Lebererkrankungen, Leberzirrhose, Gallenkolik, Hepatitis, Fettleber, Verdauungsbeschwerden, erhöhte Blutfettwerte, Krampfadern und Hämorrhoiden, begleitende Therapie bei Krebserkrankungen. Kommission E: zur Behandlung toxischer Leberschäden sowie zur Unterstützung bei chronisch entzündlichen Lebererkrankungen und bei Leberzirrhose Hinweise, Nebenwirkung und Gegenanzeigen: Gegenanzeigen: Nicht anwenden bei bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff und/oder andere Korbblütler oder einen der sonstigen Bestandteile. Zur Anwendung von Mariendistelfrüchten bei Kindern, während Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine ausreichenden Untersuchungen vor. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln werden diskutiert (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)).
Die Anwendung des Mariendistelkrauts beruht auf dem Status der Erfahrungsheilkunde. Die Kommission E hat dazu eine Negativmonografie erstellt. |
HEILANZEIGEN
Die therapeutische Wirksamkeit der Mariendistelfrüchte mit dem Hauptwirkstoff Silymarin beruht auf zwei Angriffspunkten bzw. Wirkmechanismen: Zum einen verändert Silymarin die Struktur der äußeren Zellmembran der Leberzellen derart, dass Lebergifte nicht in das Zellinnere eindringen können. Zum anderen stimuliert Silymarin die Regenerationsfähigkeit und Neubildung von Leberzellen, was die Funktionsfähigkeit des ganzen Organs verbessert. Derartige Heilkräfte auf Leberzellen besitzt kaum eine andere Leberpflanze. Eine gleichzeitige Alkoholkarrenz während der Behandlung versteht sich dabei von selbst.
Leberentzündungen und Leberverfettung sind in der westlichen Welt häufig die Folgen von Überernährung, übermäßigem Alkoholkonsum, leberschädigenden Umweltgiften oder die Folge von Medikamentennebenwirkungen (v. a. Hormone, Schmerzmittel, häufige Antibiotikagaben). Hier kann der Mariendistel-Tee und/oder zusätzlich eine Leberkompresse ebenso hilfreich sein, wie bei Hepatitis B und C oder zur Leberregeneration nach überstandener akuten Hepatitis A.
Zusätzlich gibt es einige Erkrankungen, die im Zusammenhang mit Leberstörungen stehen, wie Akne, Depression, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und entzündliche Darmerkrankungen. Zudem gilt Silymarin als Radikalfänger (Fintelmann/Weiß, 2009). Bei Patienten mit Krebserkrankungen fallen durch Chemo- und Strahlentherapie große Mengen an Toxinen an. Auch hier kann die Mariendistel als Begleittherapie insbesondere bei Leberbeteiligung durch eine Verbesserung der Leberfunktion hilfreich sein. Ein Hinweis auf Leberfunktionsstörungen sind Druckschmerz unter dem rechten Rippenbogen, Schlafstörungen mit nächtlichem Erwachen zwischen 1 Uhr und 3 Uhr, dunkler Urin, gelb gefärbter Stuhl und eine weiß belegte Zunge mit bitterem Geschmack im Mund.
Feuchte Umschläge mit einem kräftigen Mariendisteltee sind ein althergebrachtes Heilmittel bei Ulcus cruris oder Krampfadern. Um die Durchblutung zu verbessern, sollten die schweren und strapazierten Beine zusätzlich häufig hochgelagert und in Herzrichtung massiert werden.
Selbst in schulmedizinisch geführten Kliniken gilt bei akuten und lebensbedrohlichen Knollenblätterpilzvergiftungen (meist als Folge von Verwechslung mit dem Wiesenchampignon) ein synthetisch hergestelltes Derviat des Silibinins (Legalon SIL-Infusion) als hoch wirksames Antidot. Jeder Brechdurchfall, der durchschnittlich 12 Stunden (genau 6 - 48 Stunden) nach einem Pilzessen auftritt, gilt als verdächtige Knollenblätterpilzvergiftung und ist in jedem Fall sofort ärztlich abzuklären.
Die reifen, getrockneten, vom Pappus befreiten Früchte sind Ausgangsmaterial zur Herstellung der homöopathischen Arznei Silybum marianum. Zu den Anwendungsgebieten zählen wie in der Phytotherapie Erkrankungen der Leber, Galle und des venösen Systems (Krampfadern, Ulcus cruis) sowie Stirnkopfschmerz mit Brennen und Druck über den Augen. Häufig wird hierfür die Urtinktur (Ø) bzw. Niedrigpotenzen (D1 und D2) verwendet. Dreimal täglich bis zu 10 Tropfen.
REZEPTE
Aufguss aus Mariendistelfrüchten (Cardui mariae fructus)
Einen gehäuften Teelöffel (1 Teelöffel = 3,5g) der getrockneten und gequetschten Früchte mit 250 ml kochendem Wasser aufgießen, 10 - 20 Minuten ziehen lassen. Zwei Tassen täglich. Den Tee schluckweise heiß morgens nüchtern und abends vor dem Schlafengehen trinken.
Hinweis: Einige Therapeuten bevorzugen Fertigarzneien, da Silibinin schlecht wasserlöslich ist und zudem der Gehalt standortbedingt schwanken kann.
Aufguss des Mariendistelkrauts (Cardui mariae herba) zur traditionellen Anwendung bei Leber-Galle-Leiden
Einen TL kleingeschnittenes Kraut mit 150 ml siedendem Wasser übergießen. 5 - 10 Minuten ziehen lassen, abseihen. Zwei bis drei Tassen täglich. Zur Appetitanregung eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten trinken, bei Verdauungsstörungen den Tee nach den Mahlzeiten trinken.
Leberkompresse zur begleitenden Therapie bei Verdauungsschwäche und zur Anregung der Lebertätigkeit
Einen starken Aufguss aus 5 Gramm gequetschten Früchten pro 250 ml Wasser (s. o.) zubereiten. Ein ausgekochtes Baumwolltuch damit tränken und kräftig auswringen. Die Kompresse so warm wie möglich auf den rechten Oberbauch auflegen, mit einem Außentuch und einer warmen Wärmflasche abdecken. Etwa eine halbe Stunde bis 3/4 Stunde liegen lassen.
LITERATUR
Bächtold-Stäubli Hanns unter Mitwirkung von Hoffmann-Krayer Eduard: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Walter de Gruyter Berlin, 2000
Boericke William: Handbuch der homöopathischen Materia medica, Karl F. Haug Verlag, Heidelberg, 1996
Dioscorides Pedanius: Der Wiener Dioskurides, Codex medicus Graecus 1 der Österreichischen Nationalbibliothek, Teil 1 und 2, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz, 1998 und 1999
Fleischhauer Steffen Guido, Guthmann Jürgen, Spiegelberger Roland: Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen, AT Verlag, Aarau, Schweiz, 2013
Genaust Helmut: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, Nikol, Hamburg, 2005
Roth Lutz, Daunderer Max, Kormann Kurt: Giftpflanzen Pflanzengifte, Nikol, Hamburg, 2012
Fintelmann Volker, Weiß Rudolf Fritz: Lehrbuch Phytotherapie, Hippokrates Verlag, Stuttgart, 2009
Kalbermatten Roger: Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag, Aarau Schweiz, 2010
Lonicerus Adamus: Kreuterbuch, Reprint der Ausgabe von 1679, Konrad Kölbl, München, 1962
Marzell Heinrich: Geschichte und Volkskunde der deutschen Heilpflanzen, Neudruck der Ausgabe 1938, vermehrt um ein Register, 1938 Hippokrates Verlag, Reichl Verlag, St. Goar, 2002
Müller Irmgard: Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen, Verlag Herder GmbH, 2008
Wichtl Max: Teedrogen und Phytophyarmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2009