Mädesüß - Filipendula ulmaria

Mehr als ein sanftes Aspirin aus der Natur

Man trifft die Pflanze mit den cremeweißen, wohlriechenden Blüten an Bachufern, Gräben und auf feuchten Wald- und Wiesenböden. Volksnamen wie Wiesengeißbart, Bocksbart und Geißbart weisen auf eine aphrodisierende Wirkung des Heilkrautes hin. Manchmal wird er auch als "falscher" oder "wilder Holunder" bezeichnet, weil er nicht nur dem Holunder ähnlich sieht, sondern auch eine ähnliche Verwendung findet. Woher der Name Mädesüß kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Einige vermuten, dass er von der Heuernte, der "Mahd" (mahd = mähen) kommt, weil sie zu dieser Zeit blüht und dem Heu ein süßes Aroma verleiht. Andere meinen er kommt daher, weil die Blüten in früheren Zeiten zum Aromatisieren und Süßen von Met verwendet wurden. Einig sind sich alle, dass der Name nicht auf das Wort "Mädchen" zurückzuführen ist.

Medizingeschichte

Adam Lonitzer (Lonicerus) beschreibt in seinem Kräuterbuch Mädesüß unter den Namen "Filipendula" oder "Roter Steinbrech": "Dieses Krauts Wurzel ist gut für den Stein, desgleichen denjenigen, die mit Mühe harnen und die Lendensucht haben. Das Pulver der Wurzel dient denjenigen, die einen kalten Magen haben und nicht gut verdauen können. Gegen Asthma nimm das Pulver und Enzian im gleichen Gewicht und gebrauche es in der Speise, es hilft ohne Zweifel".

Und Tabernaemontanus schrieb 1625 in seinem Kräuterbuch: "Filipendelwurtzel zu Pulver gestossen und mit weissen Wein zertrieben und warm getruncken ist eine gewisse Hilff wider die Kaltseich (Blut im Urin, dunkler Urin) und hilfft bald. Solche Artzney dienet auch wider den Husten und vertreibet das Grimmen und Reissen in den Därmen".

Botanik, Geruch und Geschmack

Die mehrjährige, bis zu 1,5 Meter hohe Pflanze zählt zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Stängel sind aufrecht und kantig, verzweigen sich nur im oberen Bereich und haben langgestielte gefiederte Blätter. An der Oberseite sind die Blätter dunkelgrün und weißlich behaart auf der Unterseite. Die Blütezeit ist der Hochsommer (Juni bis August). Die kleinen gelblich-weißen Blüten stehen in rispigen Trugdolden angeordnet. Die Blüten duften angenehm, etwas süß, vanillig und mandelartig. Der Geschmack der Wurzel ist schleimig, etwas scharf und vanilleartig.

Verbreitet ist die Wild- und Gartenpflanze in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas und in Nordamerika und bevorzugt feuchte, nährstoffreiche Böden. Die Droge wird aus südosteuropäischen Ländern importiert.

Als heilwirksam gelten sowohl der verholzte Wurzelstock, der im Frühjahr und Herbst ausgegraben wird, als auch die Blüten und Blätter, die von Juni bis August geerntet werden.

Inhaltsstoffe

sind Flavonoide (3-4%), Glykoside (bis 0,5%), ätherisches Öl, das während des Trocknungs- und Lagerungsprozesses entsteht (0,2%) mit den Hauptkomponenten Salicyladehyd und Salicylsäuremethylester. Die Gerbstoffe der Droge gehören zur Gruppe der Ellagitannine (10-15%) und sind für den adstringierenden Geschmack verantwortlich. Die Blüten enthalten eine heparinartige Substanz.

Wissenschaftliche Daten

Aufgrund der Bestandteile wurden eine antibakterielle und pilztötende (Salicylaldehyd), antiulzerative und immunmodulatorische (Flavonoide) und eine krebshemmende Wirkung (Ellagitannin) Wirkung dokumentiert. So sollen Gallotannine in vitro eine bakterizide Wirkung gegenüber Streptokokken entfalten und die lokale Anwendung von Mädesüß führte zu 39% Reduktion der Häufigkeit des Auftretens eines induzierten Plattenepithelkarzinoms von Zervix und Vagina der Maus (J. Ross).

Filipendula enthält Salicylsäure. Bekannt ist, dass synthetisch hergestellte Salicylsäure, wie sie im "Aspirin" vorkommt, starke Magenschleimhautentzündungen hervorrufen kann. Der Markenname ist auch auf die lateinische Bezeichnung "Spiraea" zurückzuführen. Wenngleich die isolierten Substanzen Salicyl- und Acetylsalicylsäure die Magenmukosa schädigen können, haben die Zubereitungen aus Mädesüß eine positive Wirkung auf die Schleimhaut des Magens. Es konnte sogar gezeigt werden, dass Zubereitungen aus Filipendula Magenläsionen, die durch Acetylsalicylsäure hervorgerufen worden waren, verringern konnten. Es könnte sein, dass Salicylaldehydglykoside in Filipendula in Magen und Dünndarm zu Salicin umgewandelt werden, wie es mit dem Salicortin aus der Weidenrinde geschieht. Das Salicin wird dann im Darm zu Salicylalkohol und später in Blut und Leber zu Salicylsäure metabolisiert. Es gibt allerdings noch keine pharmakokinetischen Daten zu dieser Hypothese (J. Ross).

Wirkspektrum

In der Erfahrungsheilkunde verwendet man die Blüten zur Erhöhung der Harnausscheidung, sowie bei Muskel- und Gelenkrheumatismus, Gicht, Blasen- und Nierenerkrankungen und bei Kopfschmerzen; die Blätter bei Magenbeschwerden.

Filipendula wird bei Erkältungen, grippalen Infekten und Fieber und als sanftes Analgetikum bei Kopf- und Zahnschmerzen verwendet. Die Kommission E befürwortet die Anwendung von Mädesüßblättern und -blüten zur unterstützenden Behandlung (Schwitzkuren) von Erkältungskrankheiten (BAnz Nr. 43 v. 02.03.1989).

Die adstringierende Wirkung macht Mädesüß zu einer der wirksamsten Pflanzen bei Diarrhö im Kindesalter. Außerdem ist die kühlende Pflanze geeignet zur Behandlung von Fieber und Magenbeschwerden. Es wirkt entzündungshemmend und lindert brennende Schmerzen im Verdauungstrakt. Bei gastroösophagealem Reflux und schwallartigem Erbrechen kann es die Beschwerden lindern. Die Dosierung muss individuell an das Kind angepasst werden (J. Scott).

Für Rheumatiker empfiehlt sich darüber hinaus die äußerliche Anwendung des Aufgusses, der als Grundlage für Heilbäder oder getränkte Verbände bei geschwollenen Gliedmaßen verwendet wird.

Sonstige Verwendung

Küche
Bis zur heutigen Zeit ist es in Frankreich und Belgien noch üblich, Süßspeisen mit Mädesüß zu verfeinern. In Europa wurde sie jahrhundertelang als Zutat von Met, Wein oder Bier verwendet.

Bräuche und Rituale
Bis ins 16. Jahrhundert wurden die Blüten noch als Streublumen für die Böden verwendet. Das diente zum einen, um den Boden zu wärmen, aber auch durch die freigesetzten Duftstoffe Krankheiten und Infektionen fernzuhalten. Mädesüß war ein Lieblingsstreukraut der Königin Elisabeth I. in England. Sie hatte es in vielen ihrer Räume ausgestreut. Zudem benutze man Mädesüß bei Festen und Hochzeiten in Kirchen, man streute es oder band Girlanden daraus. In England ist die Pflanze auch unter dem Namen "Bridal Wort" (Brautkraut) bekannt.

Homöopathie
Die rötlich-braune homöopathische Essenz aus der frischen Wurzel wird bei rheumatischen Herzbeschwerden, Nieren- und Blasenerkrankungen, Magen- und Darmverstimmungen sowie bei Kopfschmerzen verbunden mit Blutdrang zum Kopf und bei Schwindelgefühlen empfohlen.

Tiermedizin
Bei wasserhaltigen Schwellungen der Beine und des Bauches bei Haustieren kann Mädesüßtee gegeben werden. Bei Kälberlähmung hat sich der Tee und ein Umschlag bewährt.

Rezepte und Dosierung

Aufguss: 3-6 g der geschnittenen Droge werden mit kochendem Wasser übergossen und nach etwa 10 min durch ein Teesieb gegeben. Mehrmals täglich eine Tasse.
Tinktur: 2- 4 ml der 1:5 Tinktur in 25% Alkohol, dreimal täglich.

Anwendungsbeschränkungen

Allgemeine Kontraindikationen sind nicht bekannt. Nicht anwenden bei Überempfindlichkeit gegen Salicylsäure. Bei Überdosierung kann es zu Magen- Darmbeschwerden und Übelkeit kommen. Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sind nicht bekannt (ESCOP). Wegen des hohen Gerbstoffgehalts ist Vorsicht während der Schwangerschaft und Stillzeit angeraten (J. Ross).

 

Literatur
Grünwald Jörg, Jänicke Christof: Grüne Apotheke, Gräfe und Unzer Verlag, 2004
Knell Annette: Blütenseelen, Schwedhelm Verlag, 2010
Lange-Ernst Maria-E., Ernst Sebastian: Lexikon der Heilpflanzen, Honos, 1997
Mayer, Uehleke, Saum: Handbuch der Klosterheilkunde, Zabert Sandmann, 2004
Ross Jeremy: Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin - Kombination und Integration, Verlag für Ganzheitliche Medizin Bad Kötzting, 2006
Ross Jeremy: Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin - Eine klinische Materia Medica, Verlag für Ganzheitliche Medizin Bad Kötzting, 2009
Scott Julian, Barlow Teresa: Kräutertherapie bei Kindern, Elsevier GmbH, 2006
www.kraeuter.ch: Kräuterbuch von Jacobus Theodorus "Tabernaemontanus", 1625
Wichtl Max: Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2009
Willfort Richard: Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag Linz, 1973

 

Zurück