Löwenzahn - Taraxacum officinale

Taraxacum officinale / Der Löwenzahn
Die sonnengelben Blüten mit der großen Heilkraft künden den Frühling an

Der ungewöhnliche Reichtum an wichtigen Heilstoffen macht den Löwenzahn zu einem bedeutenden Heilkraut, der wegen seines Massenauftretens mit der abfälligen Bezeichnung "Unkraut" viel zu wenig gewürdigt wird. Wenn man nur die Verbesserung der gesamten Stoffwechsellage und seine blutreinigende Wirkung berücksichtigt, ergeben sich viele Indikationen, wie bei Störungen der Leber- und Gallentätigkeit, rheumatischen Erkrankungen, Gicht, Hauterkrankungen, Adipositas, Verdauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit und als harntreibendes Mittel.

Im Altertum scheint das Wirkungsspektrum der Pflanze in Europa weitgehend unbekannt gewesen zu sein; weder Plinius, noch die Äbtissin Hildegard von Bingen beschreibt ihn. Erst Hieronymus Bock liefert die erste brauchbare Beschreibung. Nach und nach kam man darauf, dass der Löwenzahn doch eine wertvolle Heilpflanze ist. Der englische Kräuterarzt Nicholas Culpeper schrieb um 1649: "Dieses Kraut hilft uns weiter zu sehen, ohne dass wir eine Brille benötigen". Noch in diesem Jahrhundert schrieb der Pfarrer Künzle in seinem Kräuterbuch: "Der bitter schmeckende Saft des Löwenzahns macht klare Augen".

Im Volksmund hat er viele Namen und wird er auch Augenwurz, Butterblume, Kuhblume, Milchdistel, Pusteblume oder wegen seiner harntreibenden Wirkung auch Bettseicher genannt. Der botanische Name "Taraxacum" findet sich bereits in der lateinischen Übersetzung des "Canon medicinae", den im 11. Jahrhundert der arabische Arzt Avicenna verfasste. Der zweite Teil "officinale" deutet darauf hin, dass es sich um eine in "offizielle" in Apotheken erhältliche Droge handelt.

Er stellt auch eine optische Bereicherung für Wiesen, Brachland, Dämme, Feld- und Wegränder dar, wo er sich gerne ansiedelt. Selbst vor Mauerritzen und Steinfugen macht der nicht halt. Als mehrjährige Pflanze erleben einige engagierte Hobbygärtner, die ihn zum Unkraut erklärt haben, im darauffolgenden Frühjahr ein unliebsames Aha-Erlebnis.

Verbreitung und Botanik

Löwenzahn stammt aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) und ist in Nord-Eurasien heimisch; in Frankreich und Deutschland wird er auch angebaut. Die Blätter werden im Frühjahr verwendet, die Wurzel zweijähriger Pflanzen erntet man im Herbst. Die tiefdringenden Pfahlwurzeln öffnen Kanäle in tiefere Bodenschichten und saugen ausgewaschene Nährstoffe und Spurenelemente aus den Tiefen nach oben.

Die hohlen, blattlosen Stängel enthalten einen weißen Milchsaft (eine Emulsion aus Eiweiß, Harz, einem wachsartigen Stoff Taraxerin und dem Bitterstoff Taraxin) und erreichen eine Wuchshöhe von fünf bis zu 30 cm. Die bodenständigen Blätter gehen aus einer Pfahlwurzel hervor und bilden eine Rosette aus tief gezähnten Blättern. Ab April zeigen sich die goldgelben Blütenköpfe; wenn es länger als zwölf Stunden hell ist, hört sie mit dem Blühen auf. Vereinzelt zeigen sich nochmals im Herbst Blüten. Nach der Blüte verwandelt sich der Blütenkopf in weißlich-silberne Samenkugeln. Mit dem Wind werden sie wie kleine Fallschirme in die Weite getragen.

Die medizinische Verwendung von Taraxacum-Wurzel und -Blatt ist etwas unterschiedlich. Die Blätter, die wahrscheinlich eine größere harntreibende Wirkung haben und mehr Kalium enthalten, können wirksamer bei der Behandlung von Ödemen sein und der Vermeidung von Hypokaliämie. Die Wurzel hat vermutlich eine größere choleretische, laxierende Wirkung. Zur Entgiftung ist es von Vorteil, die gesamte Pflanze zu verwenden.

Nährstoffgehalt und Inhaltsstoffe

Die Inhaltsstoffe in den Pflanzenteilen wechseln mit der Jahreszeit. Damit ist der Löwenzahn ein Musterbeispiel dafür, wie wichtig es ist, einen bestimmten Pflanzenteil in einer bestimmten Jahreszeit zu sammeln, wenn ein Heilstoff die beste Heilwirkung erwarten lässt.

Die Pflanze enthält ca. 2,5% Eiweiß und viele Mineralien und Spurenelemente, wie Kalium, Kalzium, Mangan, Natrium, Kieselsäure, Schwefel, Zink, Kupfer, Eisen und die Vitamine A, B1, B2 und D. Im Frühjahr findet sich ein reicher Vitamin C-Gehalt in den Blättern.

Die Wurzel enthält zudem Kohlenhydrate wie das prebiotisch wirkendende und ballaststoffreiche Inulin, Carotinoide und einen Vitaminkomplex (Vitamin B, C und E).

Pharmakologisch sind bitter-schmeckende Glykoside (u.a. das Taraxinsäure-Glykosid), Triterpenoide (Taraxsterol, Sitosterol), Flavonoide und andere (z.B. Kaffeesäure, Cumarine) von Bedeutung.

Geruch, Geschmack und Temperatur

Die fast geruchslose Wurzel schmeckt vor der Blütezeit süßlich-bitter, getrocknet schleimig-süßlich. Nach der Blüte herrscht der bittere Geschmack vor. Die Blüten haben einen feinen süßlichen Geruch und Geschmack; die Blätter schmecken würzig-aromatisch und bitter. Die Pflanze wirkt kühlend auf den Körper.


Wesen und Signatur

Der Löwenzahn gehört zu den anpassungsfähigsten Pflanzen. In Größe, Gestalt und Wachstum variiert er je nach Standort und Umweltbedingungen. Sein Wesen ist Wandlung, Anpassungsfähigkeit, Fließen, Wärme und Lebenskraft. Der Löwenzahn dynamisiert die Wandlungs- und Anpassungsprozesse, löst Stauungen und Erstarrungen in Geist und Körper und vermittelt dadurch neue Lebenskraft. Er ist ständig auf Veränderung ausgerichtet und daher ein Spiegelbild für die sich ständig im Fluss befindlichen Stoffwechselprozesse der Leber.

Indikationen

Hepatobiliäres System
Die Hauptwirkung richtet sich zweifellos auf die Leber und die Gallenblase und darüber hinaus auf den ganzen Stoffwechsel. Indikationen können Gelbsucht, Cholezystitis, Cholelithiasis, hepatobiliäre Erkrankungen mit Verdauungsproblemen, vor allem bei unvollständiger Verdauung fettreicher Nahrung sein.

Verdauungssystem
Löwenzahn stärkt den schwachen Magen, ist bei atonischer Dyspepsie und Appetitmangel, Reizung der Magen- und Darmschleimhäute angezeigt und wirkt mild laxierend bei Verstopfung.

Harnsystem
Er fördert die Miktion, reinigt und heilt Geschwüre in den Harnwegen und ist bei schmerzhafter Miktion und Ödemen angezeigt.

Toxin-Ansammlung
Erkrankungen mit chronischen Hauteruptionen und rheumatische Erkrankungen und die Behandlung von Krebs sind weitere Indikationen.

Experimentell gibt es bestätigte Wirkungen für das Pflanzenmaterial oder isolierte Wirkstoffe: Virenhemmend, entzündungshemmend, wirkt gegen Pancreatitis, schmerzstillend, oxidationshemmend, antiangiogen, choleretisch, harntreibend (nachgewiesen für das Blatt, jedoch nicht für die Wurzel), thrombozytenhemmend und  krebshemmend.

Weitere Verwendung
Wegen des reichen Vitamingehaltes und der harntreibenden Wirkung eignen sich die frischen Blätter zu Frühjahrskuren. Junge Blätter isst man roh in Salaten mit Salz, Essig, Öl und Ei oder kocht sie als Spinat, in Kräutersuppen oder gebacken in Kroketten. Noch bis in die Nachkriegsjahre röstete man neben der Wegwarte (Zichorie) die im Backofen getrocknete Löwenzahnwurzel und mahlte sie in Kaffemühlen als Ersatzkaffee. Wegen seines Inulingehaltes ist dieser "Muckefuck" besonders für Diabetiker geeignet. Es gibt Rezepte für süffige Löwenzahnweine und -biere, für Löwenzahnblütengelee, frittierte Löwenzahnblüten und Löwenzahnsirup, der fälschlich als "Löwenzahnblütenhonig" bezeichnet wird und bei dem Blüten mit Wasser, Zucker und Zitrone für längere Zeit eingekocht werden.

In der Homöopathie wird aus der frischen ganzen Pflanze eine Essenz gegen Rheuma, Leberleiden, Neuralgien des Knies, Blähungen und gastrischen Kopfschmerzen hergestellt.

Dosierung und Rezepte

Aufguss: 2 Teelöffel getrocknetes und zerkleinertes Kraut mit 1/4 l siedendem Wasser aufgießen; Tagesmenge 2-3 Tassen
Kaltauszug: 2 Teelöffel getrocknetes und zerkleinertes Kraut mit 1/4 kaltem Wasser ansetzen und ca. 8 Stunden ziehen lassen
Presssaft aus frischen Blättern: Ein- bis dreimal täglich 1-2 Teelöffel; Beispiel Fertigprodukt: Schoenenberger Heilpflanzensaft (Wirkstoff: Löwenzahnkraut mit Wurzel-Presssaft)
Presssaft aus der Wurzel: 4-8 ml, dreimal täglich
Tinktur: 5-10 ml der 1:5 Tinktur in 45% Alkohol, dreimal täglich
Urtinktur Firma Ceres: 1-3x täglich 2-5 Tropfen in einem halben Glas Wasser einnehmen
( Urtinkturen bieten auch die Firmen Weleda, DHU und Staufen Pharma an).

Sicherheitshinweise

Kontraindikationen bestehen bei Verschluss der Gallenwege, Gallenblasenempyem und Darmverschluss. Lt. ESCOP sind keine Wechselwirkungen bekannt. Wie bei allen bitterstoffhaltigen Drogen können Magenbeschwerden auftreten. Allergische Reaktionen mit Juckreiz, Hitzegefühl, Übelkeit und leichtem Durchfall wurden dokumentiert.



Literatur
Chevallier Andrew: Das große Lexikon der Heilpflanzen, Dorling Kindersley London, 2001
Gurtner Markus: Gesund durch Heilkräuter, Gondrom Verlag Bayreuth, 1980
Kalbermatten Roger: Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag, 2010
Lange-Ernst Maria-E.; Ernst Sebastian: Lexikon der Heilpflanzen, Honos Verlag Bergisch Gladbach, 1997
Mayer, Uehleke, Saum: Handbuch der Klosterheilkunde, Verlag Zabert Sandmann, 2004
Ross Jeremy: Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin - Eine klinische Materia Medica, Verlag für Ganzheitliche Medizin Bad Kötzting, 2009
Storl Wolf-Dieter: Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor, Knaur, 2007
van Wyk Ben-Erik: Handbuch der Nahrungspflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005
Willfort Richard: Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag Linz, 1973

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