Johanniskraut - Hypericum perforatum

Das Johanniskraut - Hypericum perforatum

Johanniskraut hat von allen Heilpflanzen die stärkste Beziehung zum Licht. Sie ist eine Pflanze des Mittsommers und der beste Erntezeitpunkt ist um den 24. Juni, wenn die Sonne am höchsten steht. Hypericum ist ein Wundkraut mit schmerzstillenden und zusammenziehenden Eigenschaften und ein ausgezeichnetes Nervenmittel und daher bei Verletzungen angezeigt, und das sowohl auf der körperlichen als auch der seelischen Ebene.

Namensgebung

Wenn man ein Blatt des Johanniskrauts gegen das Licht betrachtet, entsteht der Eindruck, als wären die Blätter getüpfelt. Der zweite deutsche Name leitet sich von "Johannes dem Täufer" ab. Der Legende nach soll das Blut des geköpften Märtyrers in die gelben Blüten des Johanniskrauts geflossen sein, das wieder austritt, wenn man die Blüten zerreibt. Aus dem Lateinischen kommt der Name perforatum - perforata - die Durchlöcherte;  der Name Hypericum (griech. hyper = über, eikon = Bild) leitet sich von einer früheren Aufgabe des Johanniskrauts ab. So wurde es lange Zeit zum Schutz vor Geistern über den Heiligenbildern angebracht. Der Volksmund bezeichnet das Johanniskraut je nach Region auch Frauenkraut, Unser Fraun Bettstroh, Herrgottsblut, Sonnwendkraut, Johanniswurz und als "Teufelskraut oder fuga daemonum" fand es im Mittelalter bei der Teufelsaustreibung Verwendung.

Medizingeschichte

Die klassischen Ärzte Griechenlands, wie Dioskurides, und Roms verwendeten Johanniskraut zur Wundheilung und bei Ischias. Das frühmittelalterliche "Lorscher Arzneibuch" erwähnt zum ersten Mal die Verwendung bei Melancholie und Paracelsus zeigte seine große Wertschätzung mit den Worten: "Es ist nicht möglich, dass eine bessere Arznei für Wunden in allen Ländern gefunden wird" und empfahl es als Wund- und blutreinigendes Kraut. Außerdem wurde Johanniskraut bei rheumatischen Erkrankungen, als Frauenmittel bei Menstruationsbeschwerden und bei Bettnässen von Erwachsenen und Kindern verwendet.

Botanik

Johanniskraut ist eine bis zu 80 cm hohe, mehrjährige Pflanze und gehört zur Familie der Hartheugewächse (Hypericacae). Die Pflanze bevorzugt sonnige Standorte und kommt weltweit in den gemäßigten Zonen vor. Eine botanische Seltenheit und damit ein charakteristisches, zur Unterscheidung von anderen Hypericum-Arten, hilfreiches Merkmal ist der mit zwei Längsleisten versehene Stängel. An ihnen sitzen ovale, gegenständige, durchscheinend drüsig punktierte Blätter. Die fünfzähligen, gelben sternförmigen Blüten stehen in Trugdolden blühen etwa von Johanni (24. Juni) bis in den September hinein. Aus den Blüten tritt ein blutroter Farbstoff aus, der zur Substanzgruppe der Hypericine gehört und Anlass für eine ganze Reihe mythischer Sagen und geheimnisvollen Anwendungen gibt.

Inhaltsstoffe

Als heilkräftiger Pflanzenteil gilt das ganze blühende Kraut (Hyperici herba). Pharmakologisch wichtige Inhaltsstoffe sind 2 - 4% Hyperforin, dem der größte Anteil an der Neurotransmitter-Wirkung zugeschrieben wird und 0,03 - 0,9% Hypericin, das bei Kontakt mit Licht und Wasser eine leuchtend rote Farbe bekommt. Weiter 0,03 - 0,34% Pseudohypericin, Flavonoide (v.a. Quercetin), 6 - 15% Gerbstoffe, 0,1 - 0,25% ätherisches Öl, Phytosterin und Stearin, Harze und Eiweiß.

Anwendungsgebiete

In den letzten 25 Jahren wurde Hypericum vor allem bei Depressionen eingesetzt. Die Komission E (BAnz Nr. 228 vom 05.12.1984 und Nr. 43 vom 02.03.1989) empfiehlt die Anwendung von Hypericum  zur innerlichen Anwendung bei psychovegetativen Störungen, depressiven Verstimmungszuständen, Angst und/oder bei nervöser Unruhe und die öligen Hypericumzubereitungen innerlich bei dyspeptischen Beschwerden und äußerlich zur Behandlung und Nachbehandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen, Myalgien und Verbrennungen 1. Grades.

Traditionell wird Hypericum auch bei vielen Nervenverletzungen, Ischias, Rückenschmerzen, Herpes, bei Gastritis und Gallenblasenerkrankungen, trockener und schuppiger Haut eingesetzt.

Die Homöopathie verwendet Zubereitungen der ganzen Pflanze insbesondere bei Verletzungen der Extremitäten (v.a. Quetschverletzungen der Finger,  Zehen und Nägel),  Stichwunden nach Operationen, Gesichtsneuralgien, Zahnschmerzen vom ziehenden und reißendem Charakter, Steißbeinverletzungen und Schmerzen in der Wirbelsäule, Rückenmarkserschütterungen und allen Nervenverletzungen. Daher wird Johanniskraut manchmal auch das "Arnica der Nerven" genannt.

Verschiedene Studien der letzten Jahren zeigten, dass
- ein geprüfter Johanniskrautextrakt im Vergleich zu Placebos bei der Behandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen wirksam ist. Das pflanzliche Arzneimittel erwies sich gleichzeitig als sicher und genauso gut verträglich wie das Placebo1.

- selbst in der Behandlung von mittelschweren bis schweren Depressionen sich der hochdosierte Johanniskrautextrakt WS 5570 dem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin in der Wirksamkeit als ebenbürtig erwies, und das bei einer wesentlich besseren Verträglichkeit2.

- Hyperforin gegen resistente Bakterienstämme wirkt. Während bei den gramnegativen Bakterien und bei Candida albicans die Prüfsubstanzen keine Effekte zeigten, erfuhren die grampositiven Bakterien bereits ab einer Hyperforin-Konzentration von 0.1 µg/ml eine deutliche Wachstumshemmung. Sogar Staphylokokkus aureus-Stämme, die resistent gegen mehrere Penicilline, Cephalosporine, Erythromycin, Clindamycin, Ofloxacin, Gentamycin und Piperacillin (Taxobactam) waren, erwiesen sich gegenüber Hyperforin als empfindlich. Die Toxizität auf mononukleäre Zellen des peripheren Blutes war dagegen sehr gering.  Die experimentellen Untersuchungen lassen die Möglichkeit einer systemischen antimikrobiellen Anwendung von Hyperforin zu. Die Daten belegen außerdem, dass die traditionelle lokale Behandlung infizierter Wunden und ekzematöser Hautläsionen mit Hyperforin-haltigen Johanniskraut-Zubereitungen eine rationale Grundlage besitzen3.

Rezepturen

Aufguss: 2 - 4 g fein zerschnittenes Droge mit kochendem Wasser übergießen, 5 - 10 min ziehen lassen, abseihen. Die mittlere Tagesdosis für innerliche Anwendung beträgt 2 - 4 g Droge oder 0,2 -1,0 mg Gesamthypericin in anderen Darreichungsformen. Wegen stark schwankender Werte der Inhaltsstoffe wird dieses Rezept nicht mehr empfohlen, die standardisierten Phytophyarmaka sollten bevorzugt werden (Wichtl, 2009).
Johannisöl/Rotöl: Die abgezupften Blüten und Blätter in eine weithalsige Flasche füllen und mit der drei- bis vierfachen Menge an Olivenöl übergießen, verkorken, mehrere Wochen an einem sonnigen Platz stehen lassen und den Flascheninhalt mehrfach drehen. Anschließend den Pflanzenrückstand abseihen. Zur Anwendung werden Umschläge mit dem leicht angewärmten Rotöl auf der betroffenen Körperstelle leicht eingerieben und für längere Zeit aufgelegt. Alternativ kann auch die Hypericum-Urtinktur innerlich eingenommen werden.

Sicherheitshinweise

Hypericin kann bei längerer Einnahme besonders bei hellhäutigen Personen zu einer Lichtüberempfindlichkeit mit sonnenbrandähnlichen Reaktionen führen. Selten treten Magen-Darm-Beschwerden, allergische Reaktionen wie Hautschwellung, Juckreiz, Müdigkeit oder Unruhe auf. Bei einer Reihe von Arzneimitteln kann es zur Abschwächung der Wirkung kommen (Antikoagulantien vom Cumarintyp, Immunsuppressiva, Protease-Hemmstoffe, Antideppressiva, Digoxin, Zytostatika, Ovulationshemmer). Laut Bundesratsbeschluss sind alle oralen Johanniskraut-Präparate, die zur Behandlung von mittelschweren Depressionen zugelassen sind, seit dem 1. April 2009 verschreibungspflichtig.

Literaturhinweise
Boericke William; Handbuch der homöopathischen Materia medica, Karl Haug Verlag, 1996
Chevallier Andrew; Das große Lexikon der Heilpflanzen, Dorling Kindersley London, 2001
Kalbermatten Roger; Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag, 2010
Lange-Ernst, Ernst; Lexikon der Heilpflanzen, Honos Bergisch Gladbach, 1997
Mayer, Uehleke, Saum; Handbuch der Klosterheilkunde, Zabert Sandmann, 2004
Ross Jeremy; Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin - Eine klinische Materia medica, Verlag für Ganzheitliche Medizin Bad Kötzting, 2099
Wichtl Max; Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2009
Willfort Richard; Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag Linz, 1973
1Y. Lecrubier et al.; Efficacy of St. Johns Wort Extract WS 5570 in Major Depression : A Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Am. J. Psychiatry 159-8, August 2002
2 A. Szegedi et al;  Acute treatment of moderate to severe depression with hypericum extract WS 5570 (St. John´s wort) – randomized controlled double blind non-inferiority trial versus paroxetine. British Med J 2005; 330:503-506
3
C. M. Schempp et al; Antibacterial activity of hyperforin from St. John's wort, against multiresistant Staphylococcus aureus and gram-positive bacteria. The Lancet, Vol. 353, June 18, 1999

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