Holunder - Sambucus niger

Der schwarze Holunder - Sambucus nigra
Die Hausapotheke der Bauern

Der schwarze Holunder stand früher an jedem Bauernhaus und zählt zu den ältesten und beliebtesten Hauspflanzen und gilt als Hausapotheke der Natur. Er besitzt eine ausgeprägte Beziehung zu den durchlüftenden Organen (Atemwege und Nebenhöhlen). Auffallend ist, dass das Innere der Äste schwammig, reichlich luftdurchdrungen ist und somit in der Signatur eine Beziehung zu den Atemwegen zeigt. Entzündungen und hartnäckige Verschleimungen im Bereich der Atemwege, fieberhafte grippale Infekte, chronische Sinusitis und Raucherhusten sprechen gut auf Sambucus an.

Mythologie

Für die Germanen war der Holler der Wohnsitz der schützenden Hausgöttin Frau Holle. Um die "holde" Wächterin der Gesundheit, die Haus und Hof beschützt, und zudem für gutes oder schlechtes Wetter sorgt, in nächster Nähe zu haben, pflanzte man den Holunder möglichst nahe an das Gebäude oder den Stall. Einen Holunderbaum zu fällen galt daher als schwerer Frevel und noch heute gilt das Sprichwort, dass man vor einem Holunder den Hut ziehen muss.

Ein Gewächs mit vielen Namen

Bis ins 16. Jahrhundert bezeichnete man Holunder landläufig als Flieder. Erst nachdem der duftende Zierflieder kultiviert wurde, hat sich der Name Holunder durchgesetzt. So ist er je nach Region auch unter dem Namen Holler, Holder, Flieder, Elder (engl.), Attich, Judasbaum, Lausholler, Pfeifenstock, Pisseke, Tutenholz, Zibke und vielen anderen Namen bekannt.

Medizingeschichte

In der Antike wurden Blüten, Beeren, Blätter und Wurzeln des Holunders therapeutisch vor allem als schleim- und galletreibendes, abführendes und gynäkologisches Mittel eingesetzt; die Beeren auch zum Schwarzfärben der Haare. Dioskurides empfiehlt in seinem Klassiker "Materia medica" in Wein gekochte Holunderwurzeln gegen Schlangenbisse. Und Tabernaemontanus schrieb 1625 in seinem Kräuterbuch: "Jn Summa es dienet der Holder den wassersüchtigen Leuten gar wol, dieweil er das Gewässer und den Schleim mit Gewalt auss dem Leib treibt". Dass Holunder den Schweiß aus den Poren treiben kann, war auch der Klosterfrau Hildegard von Bingen bekannt. Und der legendäre Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp empfahl seinen Zeitgenossen in jeder Hausapotheke eine Schachtel gedörrte Blüten aufzubewahren: "Denn der Winter ist lang und es kann Fälle geben, in denen ein derart lösendes und schweißtreibendes Mittelchen durchaus treffliche Dienste leistet".

Botanik

Der in Europa heimische schwarze Holunder stammt aus der Familie der Moschuskrautgewächse (früher Geißblattgewächse), ist ein bis zu 10 Meter hoher sommergrüner Strauch und wächst in Hecken, auf Brachland und kultiviert in Gärten. Er kommt fast überall in den gemäßigten Breiten vor und wird im Durchschnitt 100 Jahre alt und älter. Die Blätter sitzen in gegenständigen Paaren, sind dunkelgrün, gefiedert und zugespitzt. Die weiß-gelben, stark duftenden Trugdolden werden im späten Frühjahr geerntet. Aus ihnen erwachsen die anfangs grünen, später braunroten und schließlich die glänzenden blauschwarzen, kugelförmigen Steinbeeren. Diese enthalten in der Regel drei längliche Steinkerne und werden im Herbst geerntet. Die Borke älterer Sträucher ist tief gefurcht und runzelig.  Sambucus ist ein Selbstbefruchter und somit nicht auf die Befruchtungshilfe von Insekten angewiesen.

Holunderpilz

Ein Besonderheit zeigt so manch älterer Hollerstrauch auf dem ein rotbrauner Schmarotzer wächst: Der Holunderpilz (Auricularia auricula), der wegen seines ohrenförmigen Aussehens auch als Judasohr bezeichnet wird und selten auch auf anderen Laubbäumen zu finden ist. Auricularia-Pilze sind reich an Eisen, Kalium und Magnesium, Phosphor, Silizium und Vitamin B1, haben eine immunstabilisierende Wirkung, sind Radikalfänger und stimulieren die Leukozytenbildung. Im Tierversuch konnten erhöhte Cholesterin- und Triglyzeridspiegel gesenkt werden und in einer Doppelblindstudie zeigte er positive Auswirkungen bei Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom (Kappl A., 2007).

Inhaltsstoffe

Medizinisch verwendet werden die getrockneten Blütenstände (Sambuci flos), seltener die violettschwarzen Steinbeeren (Sambuci fructus); in früheren Zeiten auch die Blätter, Rinde und Wurzel. Pharmakologisch wichtige Inhaltsstoffe sind bei den Blüten bis zu 3,5% Flavonoide mit dem antioxidativ wirkenden Rutin oder Quercetin-3-Rutosid, Isoquercitrin und Kaffesäure. Weiter Phenolsäuren, ätherisches Öl, Triterpene und Triterpensäuren, Tannine, Sterole, Schleim- und Gerbstoffe sowie Mineralien (v.a. Kalium).

Die Beere enthält etwa 7,5% Zucker (Glukose und Fructose), Fruchtsäuren (Citronen- und Apfelsäure), eine Reihe von Vitaminen (A, B2 und C), Folsäure und Mineralstoffe (Natrium, Kalium, Calcium, Chrom und Phosphor), Flavonoide (Rutin, Isoquercitrin und Anthocyane) und ca. 0,01% ätherisches Öl mit über 30 identifizierten Komponenten. In den unreifen Beeren findet sich das Blausäure-freisetzende Glycosid Sambunigrin.

Anwendung

Die Kommission E (BAnz Nr. 50 vom 13.03.1986) empfiehlt die Anwendung von Holunderblüten lediglich "zur Besserung des Befindens bei Erkältungskrankheiten".

Holunderblütentee besitzt eine schweißtreibende Wirkung und soll die Erregbarkeit der Schweißdrüsen für Wärmereize steigern (Wichtl, 2009). Angezeigt ist dieses probate Mittel bei grippalen Infekten, Bronchitis, Husten und wegen der leicht harntreibenden Wirkung auch bei allen rheumatischen Erkrankungen und Hautunreinheiten.

Sambucus fördert die Bronchialsekretion und beseitigt chronischen sowie akuten Schleim, vorwiegend in der Nase, den Nebenhöhlen und der Eustachischen Röhre. Gelegentlich wird er auch gegen Raucherhusten verwendet.

Zudem gelten die Beeren als bewährtes Mittel, um ganz allgemein und vorbeugend die Abwehrkraft zu stärken. Da sie einen Vitamin- und Mineralstoffkomplex und reichlich sekundäre Pflanzenstoffe enthalten sind sie als Saft getrunken sehr gut geeignet, die Abwehrkräfte im Winter zu steigern.

Ein aus reifen Holunderbeeren gekochtes Mus ist nicht nur eine köstliche Mahlzeit, sondern ein gut geeignetes Mittel zur Anregung der Darmperistaltik und Förderung der Verdauung. Besonders bei Kindern hat sich dieses nebenwirkungsfreie Mittel bei Verstopfung bewährt.

Die homöopathische Aufbereitung aus frischen Holunderblättern und -blüten wird als "Sambucus nigra" bei Entzündungen der oberen Atemwege, fieberhaften Erkältungen, Schnupfen, chronischem Schnupfen mit reichlich Schweiß vor allem bei Kindern eingesetzt.

Studien

Bei zwei in Israel durchgeführten Studien wurde gezeigt, dass ein standardisierter Holunder-Extrakt (Sambucol (SAM)) eine antivirale Aktivität gegen Influenza Typ A und B aufweist. Dabei wurde eine signifikante Verbesserung der Symptome, wie Fieber, in 93,3% der Fälle in der SAM-behandelten Gruppe innerhalb von 2 Tagen beobachtet, während die Kontrollgruppe (91,7% der Patienten) innerhalb von 6 Tagen eine Verbesserung zeigte 1,2.
Weiter konnte unter Laborbedingungen gezeigt werden, dass die in den Holunderblüten in relativ hoher Konzentration vorkommenden N-Phenylpropanoyl-L-aminosäureamide (ein Kaffesäurederviat) die Adhäsion von Helicobacter pylori an die menschliche Magenschleimhaut hemmen3.

Kulinarik und weitere Verwendung

In Großmutters Küche gab es schon immer in Pfannkuchenteig gebackene Hollerstrauben, Hollermus, Hollerlimonade und -wein. Heute haben Feinschmecker und Sterneköche die Holunderbeeren und -blüten als kulinarische Leckerei entdeckt und man findet in den Karten der Gourmetköche Holunderspezialitäten aus der alltäglichen Bauernküche. In Bioläden und Reformhäusern füllen Holundersäfte, Marmeladen, Gelees oder als Sirup verarbeitet die Regale.

Aber auch um der Farbe des Rotweins etwas "nachzuhelfen" oder um Stoffe und Leder rot, blau oder schwarz zu färben wurden die Beeren verwendet und zum Färben der Ostereier hat sich der dunkelrote Saft auch bewährt.

Die Kinder höhlten früher die markhaltigen Zweige des Holunders aus, um daraus Blasrohre oder Flöten zu schnitzen.

Um die lästigen Fliegen abzuwehren hängte man Büschel mit Blätter ans Geschirr der Pferde und Maulwürfe und Wühlmäuse suchen das Weite, sobald man in die unterirdischen Gänge Holunderblätter stopft.


Aufguss

3 g Holunderblüten werden mit kochendem Wasser übergossen und nach 5-10 min durch ein Teesieb gegeben. Mehrmals täglich 1 bis 2 Tassen möglichst heiß trinken. Die mittlere Tagesdosis liegt bei 10 - 15 g Droge.

Anwendungsbeschränkungen

Gegenanzeigen, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Mitteln sind nicht bekannt (Kommission E). Der Verzehr roher oder ungenügend erhitzter Früchte kann zu Übelkeit und Erbrechen führen (Wichtl M., 2009).

 

Literatur
Boericke William; Handbuch der homöopathischen Materia medica, Haug Verlag, 1996
Chevallier Andrew; Das große Lexikon der Heilpflanzen, Dorling Kindersley London, 2001
Kalbermatten Roger; Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag, 2010
Kappl Andreas; Gesund mit Medizinalpilzen, Verlag Gesund + Vital Regensburg, 2007
Martens Angela; Natürlich gesund mit Holunder, Knaur Verlag 2006
Mayer, Uehleke, Saum; Handbuch der Klosterheilkunde, Zabert Sandmann, 2004
Schneider E; Nutze die Heilkraft unsrer Nahrung, Saatkorn Verlag Hamburg, 22. Auflage
www.kraeuter.ch/Kräuterbuch von Jacobus Theodorus "Tabernaemontanus", 1625
Wichtl Max; Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2009
Willfort Richard; Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag Linz, 1973
1 Zarkay-Rones Z et al; Inhibition of several strains of influenza virus in vitro and reduction of symptoms by an elderberry extract (Sambucus nigra L.) during an outbreak of influenza B Panama. J Altern Complement Med., 1995 Winter;1(4):361-9
2 Zarkay-Rones Z et al.; Randomized study of the efficacy and safety of oral elderberry extract in the treatment of influenza A and B virus infections, J Int Med Res, 2004 Mar-Apr;32(2):132-40
3 Hensel A et al.; Occurrence of N-phenylpropenoyl-L-amino acid amides in different herbal drugs and their influence on human keratinocytes, on human liver cells and on adhesion of Helicobacter pylori to the human stomach. Planta Med. 2007 Feb;73(2):142-150

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