Gundermann - Glechoma hederacea

Für die Gründonnerstagssuppe und die Naturheilpraxis:
Gundermann oder Gundelrebe (Glechoma hederacea)
Die Gundelrebe kriecht meist entlang von Hecken und Zäunen auf dem Boden dahin. Sie gilt als "Landstreicher" unter den vielen Heilkräutern und bildet da, wo sie sich wohl fühlt, als eines der ersten Frühjahrskräuter mitunter dichte Polster. Gundermann ist fester Bestandteil der Gründonnerstagssuppe und gleichzeitig ein altes Heilkraut zur Behandlung von eitrigen Entzündungsprozessen, was ihm zu früheren Zeiten mancherorts den Beinamen "Herr des Eiters" einbrachte.
Und so mag es auch nicht verwundern, dass in der deutschen Bezeichnung "Gundelrebe" oder "Gundermann" das althochdeutsche Wort gund für "Eiter" steckt. Eine andere Erklärung wäre die Deutung für einen feuchten Ort (Kroeber, 1934). Der lateinische Gattungsname Glechoma ist eine Entlehnung des griechischen glechon für "Poleiminze", wegen ähnlicher Duftstoffe mit der alten Minzart. Der botanische Artname "hederacea" bedeutet efeuartig oder efeublättrig.
Daneben kennt der Volksmund noch weitere Namen wie Blauhuder, Buldermann, Donnerrebe, Erdefeu, Grundrebli, Guck durch den Zaun, Gundelrieme, Gundelreif, Gutermann, Heilrauf, Huder, Udram und Zickelskraut.
Mythologie und Volksglauben
Im alten germanischen Glauben gehörte die "Donnerrebe" dem Donnergott Thor oder Donar. Deswegen glaubte man, die Pflanze könne vor Gewitter und Blitzschlag schützen. Daneben gilt Gundermann im Volksglauben als Mittel gegen Verhexung der Milch und zur Erkennung von Hexen. Da er gerne in der Nähe menschlicher Behausungen wächst, sahen unsere Vorfahren in ihm die Verkörperung der guten Haus- und Hofgeister, die mit ihren Zauber- und Heilkräften den Menschen dienen. Besondere Kräfte soll er in der Walpurgisnacht besitzen: Ein gewundener Gundermannkranz umgehängt macht dann hellsichtig.
Wesen und Signatur
Das Wesen der unscheinbaren Pflanze ist es, bewusste oder unbewusst festgehaltene Prozesse im Körper zu lösen und wieder in Fluss zu bringen. Die Pflanze gilt als warmes und erdverbundenes Kraut. Als eines der ersten blühenden Frühjahrskräuter beendet er mit seiner Wärmekraft die Winterstarre und vermittelt Gelassenheit, Geduld und innere Ruhe.
Pflanzenkunde
Die Gundelrebe ist in Europa und Asien heimisch und auf feuchtem Grund, Wiesen, freien Flächen, in Gärten und Wäldern zu finden. Sie ist eine mehrjährige meist etwas flaumhaarige Pflanze der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) mit viereckigem, haarigen und zumeist kriechenden Stängeln. Diese bilden Knoten, aus denen dann die Wurzel wachsen. Die blühenden Stängel sind meist aufrecht und werden bis zu 30 cm hoch. Die Blätter sind kreuzgegenständig angeordnet und grobkerbig gesägt. Während die unteren Blätter in ihrer Form nierenförmig und langstielig sind, wachsen die oberen herzförmig und kurzstielig. Sowohl Blattoberseite als auch Blattunterseite sind in der Farbe dunkelgrün bis rötlich gefärbt. Die Blütenfarbe des Lippenblütlers ist hellviolett mit dunkleren Flecken auf der Unterlippe. Die Blüten stehen innerhalb der Blattachseln in Scheinquirlen und zeigen sich ab Ende März bis in den Juni hinein.
Das Kraut hat einen schwach würzigen Geruch und etwas bitteren, minzartigen und zusammenziehenden Geschmack.
Heil- und Wirkstoffe
Flavonoide (Luteolin, Apigenin, Quercetin, Cosmosiin), Triterpenoide (Sitosterol, Ursolsäue, Oleanolsäre), ätherisches Öl (Pulegon, Menthon, Pinocarvon), Polyphenole (Phenolsäuren, Gerbstoffe), Vitamin C, Saponine, Mineralstoffe (Kalium, Kieselsäure), organische Säuren (Essigsäure, Weinsäure)
Medizin früher...
Hildegard von Bingen hat sich intensiv mit "De Gundelrebe" beschäftigt und ihr in der "Physica" ein längeres Kapitel gewidmet. Zum einen gibt sie Indikationen an, die noch heute gültig sind, wie die Behandlung von Heiserkeit oder Schmerzen in der Brust oder Lunge. Andererseits verwendet sie das Kraut auch zur Behandlung von Tinnitus. "Aber auch der, dem üble Säfte dem Kopf wie ein Rauch plagen, so dass seine Ohren wie ein Geräusch von Wasser klingen, der bringe Gundelrebe in warmen Wasser zum Sieden und nach Ausdrücken des Wassers lege er es so warm um seinen Kopf und dieses Kraut mindert den Rauch, der in seinem Kopf ist, durch seine guten Kräfte und es öffnet das Gehör in seinen Ohren". Ob sich diese Anwendung nicht bewährt hat oder schlichtweg in Vergessenheit geraten ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
... und heute
Gundermann ist ein Kraut der Erfahrungsheilkunde. Daher gibt es wenig wissenschaftliche Studien zu dieser Heilpflanze. Nach J. Ross sind die wirksamkeitsbestimmenden Heilstoffe die Flavonoide und die Triterpenoide. Das Wirkspektrum umfasst entzündungshemmende, magen- und leberprotektive, oxidationshemmende, schmerzstillende, blutdruck- und blutzuckersenkende, harntreibende und krebshemmende Heileigenschaften (Ross, 2009).
Traditionell wird die innere Anwendung von Gundermann zur Behandlung von eitrigen Prozessen in den Bronchien, Verschleimung in den oberen und unteren Atemwegen, wie Schnupfen, Rachenkatarrh, Schleimhautentzündungen und Asthma verwendet. Auch Erkrankungen des Urogenitaltrakts, wie eine Reizblase werden damit behandelt. Eine recht häufige Anwendung ist die Beigabe von Gundermannkraut bei Frühjahrskuren zur Anregung des Gesamtstoffwechsels und zur Ausleitung von Stoffwechselendprodukten. Aus überliefertem Wissen ist bekannt, dass Gundermann eine neutralisierende und entgiftende Wirkung bei Schwermetallbelastungen, wie Blei oder Quecksilber aufweist. Richard Willfort gibt als weniger bekannte Indikation noch Störungen im Magen-Darmtrakt an, die durch Salzsäuremangel entstanden sind.
Äußere Anwendungen erfolgen mit einem warmen Absud zur Wundbehandlung, bei Hauterkrankungen und rheumatischen Erkrankungen. Ein Vollbad mit einem kräftigen Gundermannaufguss hat sich als schmerzlinderndes und harntreibendes Mittel bei rheumatischen Erkrankungen, Ischiasbeschwerden, Gicht und bei Blasen- oder Nierengrieß bewährt.
Aus den frischen oberirdischen und zur Blütezeit geernteten Teilen wird eine homöopathische Essenz zur Behandlung von Hämorrhoiden, bei Verdichtung der Gewebe bei Lungenkranken und Durchfallerkrankungen hergestellt. Richard Willfort gibt als weitere Indikationen Milz- und Leberleiden, Düsenerkrankungen, Blutarmut oder Schnupfen und Kopfschmerzen über den Augen an, bei deren Anwendung eine verdünnte Essenz in die Nase gezogen wird.
Gründonnerstagssuppe
Die Zeit der Tag-und-Nacht-Gleiche um den 21. März steht für das Jahreskreisfest der germanischen Frühjahrsgöttin Ostara. Danach sind die Tage wieder länger als die Nächte. Es ist die Zeit der ersten Aussaat, das Neue schafft sich seinen Raum und beginnt zu wachsen. Nach der langen Zeit der Einkehr beginnt jetzt wieder die Zeit der Außenorientierung.
Jetzt beginnt die Zeit der verjüngenden, grünen Frühlingskräuter, die schon von unseren Vorfahren als Kultspeise gegessen wurden. Die Gründonnerstags-Suppe wird seit dem 13. Jahrhundert in den katholischen Regionen am Gründonnerstag zubereitet. Drei mal drei Pflanzen kommen traditionell in die Suppe. Diese Formel stammt noch von den Kelten. Drei war eine magische und heilige Zahl - bei den Christen ist es die Zahl der Heiligen Dreifaltigkeit.
Die zu diesem Zeitpunkt frisch ausgetriebenen Kräuter entschlacken und vitalisieren den Körper. Traditionell werden neun frische Kräuter für die Suppe gesammelt, die je nach Region variieren können. Außer Gundermann kommt beispielsweise Vogelmiere, Scharbockskraut*, Gänseblümchen, Giersch, Schafgarbe, Brennnessel, Löwenzahn oder Spitzwegerich in die Suppe. Aber auch Brunnenkresse, Bärlauch, Kerbel, Petersilie, Schnittlauch, Liebstöckel, Wegwarte, Thymian und Salbei werden gerne verwendet. Als Faustregel gilt: Eine Handvoll pro Kraut ernten. Sehr intensiv schmeckende Kräuter, wie der Liebstöckel, Thymian und Salbei maßvoll dosieren.
Als sättigende Mahlzeit kann als Grundrezept eine Kartoffelsuppe dienen: Mehlige Kartoffeln werden gekocht, geschält und zu "Schnee" gepresst oder in kleine Würfel geschnitten. Eine mittelgroße Zwiebel in etwas Butter anschwitzen. Die geernteten Kräuter feinhacken und mit Gemüse- oder Fleischbrühe aufgießen. Mit Salz, Pfeffer, Muskat und einem Schuss Sahne oder Schmand abschmecken. Die Suppe mit einem Mixer pürieren oder dem Schneebesen aufschlagen und evtl. mit frischen Blüten des Gänseblümchens oder des Gundermanns garnieren. Bei strengen Frühjahrskuren oder als Fastenspeise den Anteil der mehligen Kartoffeln reduzieren und Sahne oder Schmand ganz weglassen.
Rezepte und Präparate
Sammeltipp: Gesammelt werden die oberirdischen Teile des blühenden Krauts. Blätter und Blüten einzeln abzupfen und rasch in dünnen Lagen bei Zimmertemperatur auf einem Rost trocknen. Wegen der leicht flüchtigen Öle nicht überhitzen oder im Backofen oder im Dörrautomaten trocknen.
Aufguss zur inneren und äußeren Anwendung
Ein bis zwei gehäufte Teelöffel zerkleinertes und geschnittenes Gundelrebenkraut (Glechomae hederae herba) mit 250 ml siedendem Wasser übergießen. Fünf Minuten ziehen lassen, abseihen. Ein bis zwei Tassen täglich.
Der Aufguss kann auch zur Mundspülung oder als Gurgellösung bei eitrigen Prozessen im Mund- und Rachenraum und wundem Zahnfleisch verwendet werden.
Tinktur aus Gundelrebenkraut zur inneren Anwendung und äußeren Anwendung
Ein Teil Gundelrebenkraut mit fünf Teilen 25%igem Alkohol mischen. Den Ansatz in ein ausgekochtes Schraubglas füllen und etwa zwei Wochen durchziehen lassen. Gelegentlich umschütteln. Dreimal täglich 5 - 10 ml.
Vollbad
Aus etwa 100 Gramm bzw. 5 Handvoll Gundermann wird in etwa 4 bis 5 Litern Wasser ein kräftiger Aufguss gekocht. Etwa 10 Minuten ziehen lassen und abseihen. Diesem dem Vollbad zusetzen. Badedauer etwa eine halbe Stunde bei Körpertemperatur.
Sicherheitshinweise
Allgemeine Kontraindikationen und Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Für die Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine ausreichenden Daten vor. Gundermann ist für viele Tiere und insbesonders für Pferde giftig, wobei Vergiftungserscheinungen beim Menschen bisher nicht bekannt geworden sind.
*Ein wichtiger Hinweis zur Verwendung des Scharbockskrauts: Scharbockskraut (Ficaria verna, Syn.: Ranunculus ficaria L.) wächst als eines der ersten Frühjahrskräuter an feuchten Standorten, die gut mit Nährstoffen versorgt sind. Es enthält sehr viel Vitamin C und wirkt latenten skorbutischen Zuständen entgegen - der deutsche Name Scharbockskraut leitet sich von Skorbutkraut ab. Die Blätter müssen vom Sammler eindeutig bestimmt werden, da eine Verwechslungsgefahr mit giftigen Hahnenfußgewächsen besteht. Weiter müssen diese unbedingt vor der Blüte gepflückt und verarbeitet werden, denn blühendes Scharbockskraut bildet in seinen Blättern das Gift Protoanemonin aus, das bitter und brennend scharf schmeckt und bei Menschen Magen- und Darmerkrankungen oder Nierenreizungen hervorrufen kann.
Literatur
Fischer-Rizzi S. Medizin der Erde, AT Verlag, Baden und München, 2010
Hildegard von Bingen. Heilkraft der Natur "Physica", Christiana-Verlag, Stein am Rhein, 2009
Kalbermatten R. Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag Aarau, Schweiz, 2010
Kroeber L. Das neuzeitliche Kräuterbuch, Hippokrates-Verlag GmbH, Stuttgart-Leipzig, 1934
Ross J. Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin - Eine klinische Materia Medica, Verlag für Ganzheitliche Medizin, Dr. Erich Wühr Verlag GmbH, Bad Kötzting / Bayer. Wald, 2009
Willfort R. Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag, Linz, 1973