Großblütige Königskerze - Verbascum densiflorum

Großblütige Königskerze - Verbascum densiflorum
Volksnamen: Blitzkerze, Donnerkerze, Fackelkraut, Filzige Wollblume, Himmelsbrand, Himmelskerze, Johanniskerze, Kerzenkraut, Marienkerze, Unholdpflanze, Wetterkerze, Wollblume, Wollkraut, Wullich
Etymologie, Symbolik und Signatur
Die wollig-samtigen Blätter und die "bärtigen" Staubgefäße der Königskerze erklären die Volksnamen Wollblume oder Wollkraut von selbst, der sich auch im lateinischen Gattungsnamen Verbascum wiederfindet und aus barbatus = bärtig abgeleitet wurde. Der Artname densiflorum ist lateinischen Ursprungs und bedeutet "dichtblütig". Das thapsiforme des synonymen Artnamens ist wohl eine Anknüpfung an das griechische thápsos, worunter die Griechen eine zum Gelbfärben von Wolle und Färben der Haare benutzte Pflanze verstanden.
Mit ihren schönen fackelartigen Blütenständen und ihrer alles überragenden Wuchsform ist das Kerzenkraut, der Himmelsbrand oder das Fackelkraut im wahrsten Sinne des Wortes ein Lichtblick. Bei keltischen Sonnwendfesten soll die in Wachs, Öl, Harz oder Pech getauchte Königskerze entzündet und für Fackelumzüge verwendet worden sein. Dass sie für diese Zwecke häufig verwendet wurde, zeigt auch der Name herba lucernaria - Lampenkraut. Plinus und Dioskurides erwähnen eine Pflanze thryallis oder lychnitis, woraus man die wolligen Blätter zu schmalen Streifen schnitt und daraus Lampendochte drehte. Der Berner Stadtarzt Otto Brunfels wusste im 16. Jahrhundert über die "Künigskertz" noch selbiges zu berichten: "un so mans mit hartz oder bech überstreycht / brennt es wie ein kertz".
Als stattliche Pflanze untersteht die Königskerze dem größten Planeten des Sonnensystems, dem Jupiter. Ihre majestätische Gestalt und ihr kerzengerades Wachstum kann mit dem Symbol der Königswürde, dem Zepter, verglichen werden, mit dem auch oft die Gottesmutter Maria dargestellt wird. Sie steht für Würde, Aufrichtigkeit und ist eine Lichtträgerin der Nacht.
Die leuchtend gelben Blüten werden dagegen der Sonne zugeordnet. Die weißfilzig behaarten Blätter der Wollblume schützen die Pflanze vor Austrocknung lassen an das dichte Flimmerepithel der Atemwege denken. Königskerzen bevorzugen sonnige Standorte und können die Trockenheit und Hitze des Sommers gut überstehen. Auf der körperlichen Ebene ist dies eine Signatur zu den trockenen Schleimhauterkrankungen der Atemwege. Körper, Geist und Seele sollten jedoch immer als Einheit betrachtet werden. Auf der seelischen Ebene wirken die sonnenhaften Blüten erhellend und unterstützen unsere vollkommene, individuelle und kraftvolle Seite. Die Sonne steht für die Selbstverwirklichung. Sie ist das Symbol der Lebensspenderin und der Fruchtbarkeit, da ohne sie kein Leben möglich wäre. Somit gelten Königskerzen auch als Symbol für ein langes Leben.
Brauchtum und Sagenhaftes
Wenn man eine Pflanze als "Unholdpflanze" bezeichnet, sollte man sich zuerst vor Augen führen, was mit einem "Unhold" gemeint ist. In alten Zeiten konnten sich die Menschen viele Naturereignisse nicht erklären und glaubten an helfende Naturgeister, furchterregende Wesen, Ungeheuer und böse Geister, die bekanntlich auch zaubern und schaden können. Wie uns Johannes Trojan in seinem Gedicht berichtet, beobachtete man freundliche Lichtgestalten oder Naturgeister, die sich nachts um die Königskerze drehten "dann halten in dem goldnen Schein die Elfchen ihren Ringelreihn." Für die bösen "Unholde" brauchte es jedoch Schutzgeister, um diese abzuwehren. Dazu verwendete man unter anderem auch wehrhafte oder mächtige Schutzpflanzen in unterschiedlicher Weise vor dem Zauber. In die Mauslöcher beziehungsweise zwischen den ersten geernteten Roggen gesteckte Königskerzen vertreiben beispielsweise die elbischen Mäuse, die sich oft über das Getreide hermachten. Um vor Krankheiten wie Schlaganfall, Podagra oder Zahnschmerzen zu schützen, trocknete man die Königskerzenwurzel und trug sie als Amulett am Körper. Die Wurzel wurde dabei bei bestimmten Himmelskonstellationen gegraben. Als wirksame Tage galten die an einem Freitag vor Sonnenaufgang gegrabenen Wurzeln zwischen dem Tag Mariä Himmelfahrt und Mariä Geburt oder der Johannisnacht. Als gelbblühende Sonnwendblume spielt sie neben Arnika und Johanniskraut auch eine Rolle im Sonnwendkult.
Ein alter Abwehrzauber lässt sich bis in die assyrische Zeit zurückverfolgen. Rudimente davon sind noch heute im katholischen Brauchtum erhalten geblieben. So werden an Mariä Himmelfahrt in katholischen Gegenden immer noch magische Kräuterbündel kirchlich geweiht und anschließend im Hergottswinkel der Bauernstuben aufgehängt. Durch die Christianisierung wurde der Weihkräuterbusch der Gottesmutter Maria unterstellt. Königskerzen bilden oft den Mittelpunkt der Kräuterbuschen und das königliche wirkende Zepter wurde der Gottesmutter zugeordnet. Mit solch einem Buschen kann man auch Krankheiten wie Brandwunden heilen. Dazu besprengt man sich mit Weihwasser, macht das Kreuz über das erkrankte Körperteil und spricht dreimal nacheinander: "Unsere liebe Frau geht über das Land, sie trägt den Himmelbrand in ihrer Hand". In den Raunächten, bei drohendem Unwetter, Blitz und Donner werden Teile der Kräuter ins Herdfeuer geworfen oder Räucherungen durchgeführt, um beispielsweise den Feuergeist davon abzuhalten, den Blitz ins Haus zu schicken. Reißt man die Königskerze hingegen achtlos aus, droht einem ein "himmlisches Donnerwetter" von oben. Auch im Totenkult hat die Königskerze eine Bedeutung. Schwarzkünstler kommunizieren mit den Geistern der Verstorbenen über den Lampendocht. Es heißt auch, wenn eine Königskerze von selbst auf einem Grab aufgeht, dann bitten die Verstorbenen um ein Gebet oder eine Seelenmesse, um vom Fegefeuer erlöst zu werden.
Außerdem schätzen die Bauern die Königskerze als Wetterboten. Wie der Volksname Wetterkerze vermuten lässt, ist sie eine alte Wetter- und Orakelpflanze. Tiefe Blütenkränzchen am Stängel verheißen Schnee vor Weihnachten, dichte Blütenkränzchen im oberen Teil der Pflanze dagegen Schnee erst zum Jahresanfang. Auch zählte man an ihren Blütenringen die Häufigkeit des Schneefalls und die Länge oder Kürze des kommenden Winters ab. Sind die Blüten über die gesamte Stängellänge verteilt, bedeutet dies einen "durchwachsenen" Winter, so heißt es. Ein weiteres Wetterorakel sieht man in der Neigung ihrer Spitze: Zeigt diese nach Westen, bedeutet dies schlechtes, nach Osten hin gutes Wetter. Wie es zu deuten ist, wenn mehrere Königskerzen nebeneinander stehen und die Spitzen in unterschiedliche Richtungen zeigen, überlasse ich jedoch dem Leser.
Über die Verwendung der Königskerzensamen beim Fischen ist heute fast nichts mehr bekannt. Nach alten Aufzeichnungen soll man nachts heimlich Königskerzensamen ins Wasser streuen, wo man am nächsten Tag fischen will. Am nächsten Tag soll dann Petrus, der Schutzheilige der Fischer, höchstpersönlich für einen guten Fang sorgen und man kann die Fische mit bloßer Hand fangen. Heute erklärt man sich dieses "Wunder" damit, dass der Sapoingehalt der Samen nervenlähmend und betäubend auf die Fische wirkt.
PHARMAKOLOGIEVerwendete Pflanzenteile: Blüten (Flores Verbasci / Vercasci flos); in der Erfahrungsheilkunde auch die Blätter Wirkstoffe: Etwa 3 % Schleimstoffe, bis 4 % Flavonoide (Rutin und Hesperidin), Iridoide, Saponine, Phenolcarbonsäuren, Sterole, Invertzucker, wenig ätherische Öle Wirkspektrum auf einen Blick: Innerlich: hustendämpfend, auswurffördernd, krampflösend, entzündungshemmend, wundheilend, antidepressiv; äußerlich: juckreizmildernd, entzündungshemmend, schmerzstillend Indikationen: Katarrhe der Atemwege besonders bei Kindern. Bronchitis, Trockener Husten mit Halskratzen, Asthma, Reizhusten, Heiserkeit bis zum Stimmverlust, Kehlkopfkatarrh und Räuspern. Äußerlich zur Behandlung von Wunden und Hautleiden. Homöopathie: Entzündungen der oberen Atemwege, Neuralgien, Trigeminusneuralgie. Kommission E: Katarrhe der Luftwege. Sicherheitshinweise: Eigentliche Gegenanzeigen, Neben- und Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Empfindliche Menschen können bei Hautkontakt mit allergischen Hauterscheinungen reagieren. |
Heilanwendung
Den Hippokratikern war die Königskerze bereits im fünften und vierten vorchristlichen Jahrhundert zur äußeren Anwendung bekannt. Gestoßene Königskerzenblätter gaben schleimige Gemische zur Behandlung von Wunden. Dioskurides beschreibt mehrere Arten der "phlomos"-Pflanze, deren Unterscheidung Plinius jedoch für nahezu überflüssig hält, da sie alle dieselben Eigenschaften haben. Beide empfahlen die Anwendung bei chronischem Husten und äußerlich als Wundheilmittel. Im Hochmittelalter begegnen wir die Königkerze unter dem Namen "Wullena" bei Hildegard von Bingen. Sie verordnete die Blüten bei heiserer Stimme und als Herzmittel. Wer ein schwaches oder trauriges Herz hat, soll die "Wullena" zusammen mit Fleisch, Fischen oder Kucheln (Kuddeln?) ohne andere Kräuter kochen und essen, dann wird sein Herz gekräftigt und wieder freudig werden. Das eine derart stattliche Pflanze mit sonnengelben Blüten das Herz erfreut oder antidepressiv wirkt, mag nicht verwundern. Zu dieser Zeit wurde sie auch häufig von Mönchen in den Klostergärten gezogen.
Die in Wasser gekochten Blüten und das Kraut sind im 16. Jahrhundert auch zum Heilen "wider alle hitzige Geschwär des Affters", worunter sowohl Hämorrhoiden als auch Feigwarzen zu verstehen sind, verwendet worden.
Sowohl die Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum) als auch die verwandte Windblumen-Königskerze (Verbascum phlomoides L.) und die Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus) sind Heilmittel der Atemwege bei Husten, Heiserkeit und Bronchitis. Vor allem harter und trockener Husten, der durch trockene und staubige Luft, Autoabgase, Zigarettenrauch oder Ozonsmog verursacht wurde, spricht gut auf die Behandlung mit den Blüten sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen an.
Die Blüten zeichnen sich durch ihren hohen Gehalt an Schleimstoffen aus, die entzündete Schleimhäute umhüllen und reizlindernde Effekte besitzen. Zugleich gilt Verbascum als mildes auswurfförderndes Heilmittel, was mit den Saponinen zusammenhängen dürfte. Sekundäre Pflanzenstoffe, wie den Iridoide werden entzündungshemmende Eigenschaften zugesprochen und wirken wie die Flavoniode antioxidativ, antimikrobiell. Die Flavonide Rutin und Hesperidin machen auch die in der Erfahrungsheilkunde beobachtete harntreibende Wirkung plausibel. Ein stärkerer Aufguss hilft als Teilbad bei Juckreiz, Hauterkrankungen, Ekzemen und bei rheumatischen Beschwerden oder als Gurgelmittel bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum und Halsschmerzen.
Wie beim Johanniskraut lassen sich die Inhaltsstoffe der Blüten in Öl ausziehen. Dieses Königskerzenblütenöl wird in der Erfahrungsheilkunde bei Wunden, Juckreiz, Furunkeln, Neuralgien und Rheuma als Umschlag aufgelegt. Bei Schmerzen im Ohr, Furunkeln oder schuppigem Zustand an der Ohrmuschel und im äußeren Gehörgang träufelt man das Öl in die Ohren.
Sowohl die zerstoßenen Blätter als auch die pulverisierten Blüten sind zur äußeren Anwendung nützlich als Breiumschlag bei schlecht heilenden Wunden und bringen eine rasche Hilfe bei Insektenstichen. Traditionell werden diese auch bei Frostbeulen, Hautentzündungen oder Prellungen verwendet.
In der Homöopathie wird das Arzneimittel "Verbascum thapsiforme" aus den frischen, zur Blütezeit gesammelten oberirdischen Teile ohne Stängel hergestellt. Es hat eine ausgeprägte Wirkung auf den Unterkiefernerv (N. mandibularias), das Ohr und die Atemwege. Die Anwendung der Urtinktur und tiefen Potenzen in D1 bis D3 (mehrmals täglich 10 Tropfen) haben sich bewährt bei Entzündungen der oberen Atemwege, der Nasennebenhöhlen, Nervenschmerzen und Erkältungskrankheiten mit Trigeminusneuralgie. Alternativ kann auch die spagyrische Essenz (10 Tropfen mehrmals täglich) eingenommen werden.
Rezepte
Innere Anwendung
Teeaufguss
Einen Esslöffel feingeschnittene Blüten mit einer Tasse kochendem Wasser übergießen oder mit kaltem Wasser ansetzen und zum Sieden erhitzen. Nach 10 bis 15 Minuten durch ein sehr feines Sieb abseihen, da die filzigen Staubfäden der Blüten den Hustenreiz verstärken können. Zwei bis dreimal täglich eine Tasse trinken.
Äußere Anwendung
Königskerzenblütenöl
Eine Handvoll frischer Blüten in eine durchsichtige Flasche mit Schraubverschluss geben und mit etwa 100 ml kaltgepresstem Olivenöl übergießen. Die Flasche verschlossen an eine warme, sonnige Fensterbank stellen und die Mischung gelegentlich umschütteln. Nach etwa zwei bis vier Wochen das heilsame Öl durch ein sauberes Leintuch abseihen und in Braunglasflaschen abfüllen.
Teekonzentrat
Vier Handvoll Blüten mit einem Liter kochendem Wasser übergießen, 10 bis 15 Minuten ziehen lassen und durchsieben. Ins körperwarme Teilbad geben oder als Gurgellösung verwenden.
BOTANISCHER STECKBRIEFBotanische Namen: Verbascum densiflorum Bertol., Verbascum thapsiforme Schrader Pflanzenfamilie: Braunwurzgewächs (Scrophulariaceae); früher Rachenblütler Merkmale: Zweijährige Halbrosettenpflanze, bis zwei Meter hoch. Im ersten Jahr bildet sie eine Blattrosette mit dicht filzig behaarten Blättern. Laubblätter groß und länglich-eiförmig, wechselständig am Stängel herablaufend. Im zweiten Jahr treibt die Königskerze einen blütentragenden Stängel. Vorkommen und Lebensraum: Europa bis Kleinasien mit Ausnahme des Nordens. Alte Blume der Bauerngärten und Klostergärten; wildwachsend auf Brachland und Bahndämmen, trockenen Wiesen und steinigen Wegrändern. Bevorzugt magere, sandige und durchlässige Böden an sonnigen Standorten. Blütezeit: Juli bis September Blütenmerkmale und -farbe: Kräftige, aufrechte Scheinähre mit sonnengelben Blüten. Je fünf Kronblätter pro Blüte mit bis zu fünf Zentimeter Breite. Diese öffnen sich in den Sommermonaten von unten nach oben ab etwa 9 Uhr morgens und locken Schwärme von Bienen und Hummeln an. Geruch und Geschmack: Zarter und angenehmer honigartiger Blütenduft; der Geschmack ist etwas süßlich und schleimig. Sammelhinweise: Gesammelt werden die voll entfalteten Blumenkronen mit den aufsitzenden Staubblättern an trockenen Tagen im Juli und August. Sofort nach dem Ernten in dünnen Lagen ausbreiten und an einen luftigen, schattigen Ort trocknen. Bei unsachgemäßer Lagerung verfärben sich getrockneten Blüten leicht und setzten Schimmel an; dann dürfen sie nicht mehr verwendet werden. Verwechslungsgefahr besteht mit verwandten Königskerzen-Arten, die jedoch weitgehend mit den medizinischen Eigenschaften der Großblütigen Königskerze übereinstimmen. Mitunter sind sie botanisch schwer zu bestimmen, da sich diese miteinander kreuzen. |
WILDKRÄUTERKÜCHE
Die gelben und leicht süßlich schmeckenden Blüten können als Dekoration für Kuchen, Torten und Desserts verwendet werden. Eine Handvoll frisch gesammelter Blüten mit weicher Butter vermengt ist nicht nur ein farbiger und wohlschmeckender Brotaufstrich, sondern lindert gleichzeitig Atemwegserkrankungen. Bei der "Königsbutter" fließen Heilmittel und Nahrungsmittel ineinander über.
RÄUCHERWERK
Beim Verräuchern entfacht die Königskerze ihren Sonnenzauber. Dazu kann man alle oberirdischen Teile der Pflanze verwenden. Mit der Pflanzencharakteristik einer Sonnenpflanze wirkt sie leicht antidepressiv bei seelischen Tieflagen und Melancholie vor allem in der dunklen Jahreszeit. Sie bringt Licht und Farbe ins Leben, oder, wie Hildegard von Bingen bemerkte "stärkt das Herz und macht es fröhlich".