Gänseblümchen - Bellis perennis

Die kleine Schwester der Arnika:
Das Gänseblümchen

 

Jeder kennt das kleine, freundliche und kindlich wirkende Gänseblümchen. Ein Heilkraut, das in der Erfahrungsheilkunde und Homöopathie eine lange Tradition hat, jedoch nicht in der modernen Phytotherapie verwendet wird. Sein Wirkspektrum erstreckt sich von der Behandlung von Prellungen, Quetschungen und Verletzungen sowohl auf der körperlichen als auch seelischen Ebene über Hauterkrankungen bis hin zu gynäkologischen Erkrankungen.

Der Volksmund kennt noch weitere Namen wie Augenblume oder Augenblümchen, Gänseliesl, Himmelsblume, Marienblümchen, Maßliebchen, Mondscheinblume, Mütterblümchen, Regenblume, Sonnentürchen, Tausendschön oder Wieseli. Die bereits bei Plinius zu findende Gattungsbezeichnung "Bellis" wurde von dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné (1707 - 1778) aufgegriffen. Der botanische Name leitet sich von lateinisch "bellus" = schön und "perennis" = ewig, ausdauernd ab, da das Gänseblümchen eine unermüdliche Blühpflanze. Der deutsche Name bezeichnet den häufigsten Standort der Pflanze - die Gänsewiese. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass die Pflanze wie "wie die Gans auf einem Fuß steht" (Kroeber, 1934).

Mythologie und Signatur

Die "schöne Ausdauernde" war eine heilige germanische Kulturpflanze und der Göttin Freya/Holla geweiht. Heilige Pflanzen deuten bereits auf die Verwendung als Heilpflanze hin. Die christliche Mythologie übernahm die heidnische Pflanze und weihte sie der Jungfrau Maria. Nach einer Legende soll das "Marienblümchen" aus den Tränen der Jungfrau Maria auf der Flucht nach Ägypten entsprossen sein. Die ursprünglich weißen Strahlblüten färbten sich rot, als sich Maria durch einen Stich in den Finger verletzte. Gänseblümchen sind eine der ersten Frühlingsboten und eng mit dem Brauchtum zur Osterzeit verbunden. Wenn man sieben Blüten auf einmal mit seinem Fuß bedecken kann, ist der Frühling da, heißt es. Und wer die ersten drei Blüten des Jahres mit dem Mund pflückt und isst, bleibt das ganze Jahr von Krankheiten, wie Fieber, Zahnschmerzen und Augenleiden verschont, sagt der Volksmund. Sie dient auch als Orakelpflanze, indem die einzelnen Blütenblätter mit Abzählreimen, wie "er liebt mich, er liebt mich nicht..." abgezählt werden.

In der Symbolik steht die Pflanze für Reinheit und kindliche Unschuld. Aus der widerstandsfähigen bodenständigen Blattrosette treiben unermüdlich immer neue Blütenstängel hervor, auch dann, wenn sie immer wieder abgemäht werden. Wird das Gänseblümchen unbeachtet zertreten, richtet es sich schnell wieder auf. Daraus erschließt sich ein Ausdruck von Robustheit, Vitalität und Kraft, die keinem etwas anhaben kann. Übertragen auf den Menschen ergeben sich damit Heilanzeigen bei Stürzen, Verletzungen oder Schlägen sowohl auf körperlicher als auch emotionaler Ebene.

Botanik

Das Gänseblümchen ist eine ausdauernde Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Seine Verbreitung  erstreckt sich auf alle Kontinente der gemäßigten Klimazonen. Das Gänseblümchen bildet eine mehrjährige Blattrosette mit spatelförmigen, gekerbten und haarlosen Blättern. Aus diesen entspringt ein 5-10 cm langer, blattloser Blütenstängel mit einer einzelnen Blüte. Die oft zweireihigen Zungenblüten sind weiß und häufig an den Spitzen rosa überlaufen. Das mittige Blütenkörbchen besteht aus gelben Röhrenblüten. Die Blüten sind bei Sonnenschein weit geöffnet, schließen sich nachts und bei feuchter Witterung und senken dann leicht den Kopf. Obwohl das Gänseblümchen bis auf die Dauerfrostmonate ganzjährig blüht, ist die Hauptblütezeit im April und Mai. Dann bildet es ganze Blumenteppiche auf Wiesen, Feldrainen, Wegrändern und macht selbst vor dem englischen Rasen nicht Halt.

Inhaltsstoffe

Kraut: Geringe Mengen ätherischer Öle, fette Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Saponine, Flavonoide (Anthoxanthin als gelber Blütenfarbstoff, Cosmosiin), Schleimstoffe, Vitamin C, Polyine, Fumarsäure, Inulin, Mineralstoffe, organische Säuren (Apfel-, Wein-, Essig- und Oxalsäure)

Medizingeschichte

Plinius erwähnt das Gänseblümchen erstmals unter der Bezeichnung bellis;  geht aber nicht auf seine Verwendung als Heilpflanze ein. Erst im Mittelalter und der Renaissance findet man die Empfehlung, das Gänseblümchen als Heilpflanze zu verwenden. Leonhart Fuchs führte das Gänseblümchen in seinem "New Kreuterbuch" von 1543 als "Maßliebchen" auf und nennt noch heute gültige Indikationen: "Das klein Massliebchen ist ein recht wundkraut, heylet allerlei bläterlin und die zerbrochenen hirnschalen. Sein Safft getruncken ist gut denen so verwundt seind. Die bletter grün zerstossen / unnd auff die hitzigen wunden gelegt / heylet dieselben".

Der Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle (1857 - 1945) schätzte das Maßliebchen ebenfalls sehr. Er verordnete den Aufguss von Kraut und Blüten bei Brustfell- und Lungenentzündung, innerer Hitze, Ausschlägen, Durchfall und generell bei Kindern, die nicht recht gedeihen wollen. Äußerlich verwendete er die frischen, zerquetschten Blätter als Wundkraut, bei Ausschlägen, Krätze, Entzündungen der Haut und zur Schmerzlinderung bei gichtischen Gelenken.

Heilanwendung

Gänseblümchen-Zubereitungen werden auf der körperlichen Ebene in der Erfahrungsheilkunde als hervorragendes Schmerz- und Wundheilmittel bei Schürfwunden, Blutergüssen, "Knutschflecken", Prellungen, Quetschungen, Verstauchungen, Muskelschmerzen oder Muskelzerrungen verbunden mit Zerschlagenheitsgefühl verwendet. Sie haben ein ähnliches Wirkspektrum wie Arnica, weshalb das Gänseblümchen mancherorts als "Die kleine Schwester der Arnica" bezeichnet wird. Das zarte Pflänzchen ist eher für Kinder, Schwache und zarte Menschen geeignet, denen die Kraftpflanze Arnika zu viel wäre. Gleichzeitig wirkt Bellis im seelischen Bereich, besonders dann, wenn bei den Verletzungen das Gefühl vorherrscht, Unrecht erlitten zu haben oder sich selbst durch Überforderung und Überanstrengung Gewalt angetan zu haben - egal ob es sich dabei um eine subjektive Wahrnehmung oder objektiv erlittene Gewaltanwendung handelt. Deshalb wird die innerliche und äußere Anwendung der Tinktur auch zur unterstützenden Behandlung bei sexuellen Übergriffen empfohlen. Äußerlich erfolgt die Anwendung in Form von Teeumschlägen, als Tinktur oder Salbe. Ölauszüge eignen sich als Wundauflage oder zur Juckreizlinderung bei Insektenstichen.

Wegen seiner adstringierenden Wirkung und den heilenden Schleimstoffen wirken äußere Anwendungen auch auf unser größtes Organ, die Haut. Sie gilt als Spiegelbild der Seele und ist das Verbindungsorgan zwischen "Innen und Außen". Ein ebenmäßiges Hautbild gilt als Ausdruck von Gesundheit, Schönheit und Vitalität. Der Volksmund nennt das Gänseblümchen deshalb auch "Tausendschön". Bei unreiner Haut, Akne, Altersflecken, Abszessen, Furunkel und Herpex simplex Infektionen haben sich die äußeren Anwendungen bewährt.

Bellis perennis gehört in der Homöopathie zu einem der wichtigsten Mittel bei stumpfen Traumen, Verletzungen der tieferen Gewebe und nach größeren chirurgischen Eingriffen. Meist kommen niedrige Potenzen zur Anwendung,  die aus einer Essenz der frischen blühenden Pflanze zubereitet werden. William Boericke gibt als Hauptindikationen der homöopathischen Zubereitung von Bellis perennis ein "wundes, gequetschtes Gefühl im Becken" und "Wundheit der Bauchwände und des Uterus" an.

Als sogenanntes "Mütterblümchen" haben homöopathische Gänseblümchen-Zubereitungen oder Urtinkturen in der Frauenheilkunde traditionell Verwendung. Sie werden vor allem zur Förderung der nachgeburtlichen Rückbildung eingesetzt, denn sie wirken bindegewebsstraffend und kräftigen speziell die Beckenorgane. Zudem treibt Bellis die verzögerte Nachgeburt aus und regt einen zu spärlichen Wochenfluss an. Dazu mehrmals täglich 5 Globuli in Niedrigpotenzen einnehmen (Fischer, 2009).

Kulinarik

Gänseblümchen sind nicht nur dekoratives Beiwerk von Speisen und Getränken. Ihr nussartiger, aromatischer und mild herber Geschmack verleiht Wildkräuter-Quarkspeisen, Frischkäse, Salaten, Bowlen und Limonaden eine besondere Note. Die Knospen können wie Kapern in Essig eingelegt werden. Dazu eine Handvoll Gänseblümchenknospen in einem Topf mit mildem Essig bedecken. Mit einer Prise Salz kurz aufkochen lassen und noch heiß in kleine Schlaubgläschen füllen. Nach etwa zwei Wochen ist der Kapernersatz gut durchgezogen und etwa sechs Monate haltbar.

Rezepte und Präparate

Die Blütenköpfchen und Blätter (Bellidis flos und Bellidis folium) werden zu Beginn der Blütezeit von April bis August bei trockenem Wetter gesammelt. Die höchste Heilkraft haben sie zur Sonnenwende am 24. Juni. Wie bei allen Heil- und Küchenkräutern Sammelplätze mit hoher Verschmutzung meiden und nur saubere und gesunde Blümchen ernten. Die Blütenköpfchen werden mit kurzem Stiel gepflückt und danach zügig schattig oder sonnig auf einem Rost getrocknet.

Aufguss zur äußeren Anwendung als Wundmittel und bei entzündeter Haut
2-4 Teelöffel getrocknete Blütenköpfe (Bellidis flos) mit 250 ml heißem Wasser übergießen, 10 Minuten ziehen lassen und abseihen. Eine sterile Mullbinde damit tränken und auflegen.

Aknetee
Je 25 g Gänseblümchen (Bellis flos) und Stiefmütterchenkraut (Violae tricoloris herba) mischen. Davon 3 Teelöffel mit 200 ml siedendem Wasser übergießen, 10 Minuten ziehen lassen, abseihen. Eine sterile Mullbinde tränken und mehrmals täglich betupfen.

Gesichtsmaske bei Akne und Hauterkrankungen
Von dem Aufguss zur äußeren Anwendung etwa drei bis vier Esslöffel in eine Schüssel geben. Mit zwei bis drei Esslöffel Weizenkleie und einen Teelöffel flüssigen Honig vermischen und nachquellen lassen. Die Konsistenz sollte weich und cremig sein. Die Masse mit einem Spatel auf die Haut auftragen und etwa 10 bis 15 Minuten einwirken lassen. Mit lauwarmen Wasser abspülen.

Tinktur zur inneren und äußeren Anwendung
Eine Handvoll Blüten und Kraut in ein zuvor ausgekochtes Schraubdeckelglas geben. Mit 40 - 45%igem Alkohol übergießen bis alle Pflanzenteile bedeckt sind. Die Mischung verschlossen mindestens 14 Tage ziehen lassen und gelegentlich umschütteln. Abseihen und in Braunglasflaschen abfüllen. Dreimal täglich 5 Tropfen innerlich einnehmen oder 10 - 20 Tropfen in Wasser zur äußeren Anwendung lösen.

Ölauszug zur äußeren Anwendung als Wundauflage oder bei Insektenstichen
Eine Handvoll trockene und saubere Blütenköpfchen in ein zuvor ausgekochtes Schraubglas geben. Mit neutralem Basisöl (Olivenöl, Mandelöl) bedecken und 14 Tage ausziehen lassen. Gelegentlich umschütteln. Mit Hilfe eines Kaffeefilters den Ansatz abfiltern und in Braunglasflaschen abfüllen. Haltbarkeit etwa 6 Monate.

Sicherheitshinweise

Nebenwirkungen und eigentliche Gegenanzeigen sind nicht bekannt. Bei bekannter Allergie gegen Korbblütler sollte das Gänseblümchen nicht zur Anwendung kommen.

Die Informationszentrale gegen Vergiftungen stuft das Gänseblümchen als gering giftig ein. Vergiftungserscheinungen treten nur nach dem Verzehr oder der inneren Anwendung großer Mengen auf. Diese reichen von Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen bis hin zu Krampfanfällen.

Literatur
Boericke William: Handbuch der homöopathischen Materia medica, Karl F. Haug Verlag, Heidelberg, 1996
Bühring Ursel: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, 2009
Fischer Heide: Frauenheilpflanzen, Nymphenburger in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München, 2009
Fuchs Leonhart: New Kreüterbuch, Ausgabe Michael Isingrin Basel, 1543, Reprint Konrad Kölbl, München, 1975
Kalbermatten Roger: Wesen und Signatur der Heilpflanzen, AT Verlag Aarau, Schweiz, 2010
Kroeber Ludwig: Das neuzeitliche Kräuterbuch, Hippokrates-Verlag GmbH, Stuttgart-Leipzig, 1934
Künzle Johann: Das große Kräuterheilbuch, Unveränderter Nachdruck der Erstausgabe von 1945, Albatros Im Patmos Verlag, Düsseldorf, 2006
Lingg Adelheid: Das Heilpflanzenjahr, Franck-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2010
www.gizbonn.de/index.php?id=120

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