Brennnessel - Urtica dioica

Große Brennnessel - Urtica dioica
N-Heilpflanze des Jahres 2017

Die Leser und Leserinnen der Naturheilpraxis haben die Große Brennnessel mit Abstand zur Heilpflanze des Jahres 2017 gewählt. Während einige in dem wehrhaften Gewächs ein unliebsames Unkraut sehen, andere ihren Nutzen für zahlreiche Insekten erkennen und als Blattlausmittel schätzen oder noch von ihrer Zauberkraft wissen, sind sich die Mediziner aus Wissenschaft und Forschung als auch die der Erfahrungsheilkunde einig: Sie ist eine der größten Heilpflanzen.

Brennnesselgewächse (Urticaceae, eingedeutscht "Urticaceen") sind mit etwa vier Duzend Gattungen und über 500 (vor allem tropischen) Arten bis auf die arktischen Gebiete weltweit verbreitet. Bekanntester Vertreter in unseren Breiten ist die Große Brennnessel (Urtica dioica). Sie siedelt sich gerne auf Schutt- und Müllplätzen, Bachufern, an Wegrändern oder rund um das Haus und den Hof vorzugsweise auf stickstoffreichen Böden an. Im Gegensatz zu ihrer kleinen Schwester, der kleinen Brennnessel (Urtica urens), wächst sie mehrjährig und ist zweihäusig. Schon zeitig im Frühjahr treiben aus einem verästelten Wurzelstock aufrechte, kantige und rostrote Stängel.

Das sie sticht und brennt weiß mittlerweile jedes Kind, denn Blätter und Stängel sind mit Brennhaaren (Trichomen) ausgestattet, die bei kleinster Berührung an einer verkieselten Sollbruchstelle wie eine Injektionsnadel in die Haut eindringen und dort ein Gemisch aus Serotonin, Histamin, Acethylcholin, Harz und Ameisensäure hinterlassen, das für die Quaddelbildung, die Rötung und den Juckreiz sorgt. Ihr Gattungsname Urtica leitet sich übrigens vom lateinischen urere ab, was "brennen" bedeutet.

Bis zum Sommer hin hat sie oft eine Höhe von 120 cm erreicht, ihre gestielten Blätter wachsen kreuzweise am Stängel, haben drei, fünf oder sieben Adern und gezackte Ränder. Die Pflanze bringt von Juni bis Oktober unscheinbare grünliche männliche oder weibliche Blüten auf verschiedenen Pflanzen (=diözisch, daher der Beiname "dioica") hervor. Während weibliche Blütenstände nach der Befruchtung hängen, stehen die männlichen Blütenstände nach dem Stäuben waagrecht oder etwas geneigt. Die Frucht bildet ein einsamiges, kleines Nüsschen. Nutzbar ist das Kraut, die Wurzeln wie auch die Samen. Sammelzeit für das Kraut ist vom Frühjahr bis in den September hinein, die Wurzel wird im Frühjahr oder Herbst gegraben und die eiweißreichen Samen streift am im Frühherbst ab. Die Trocknungstemperatur sollte 40°C nicht überschreiten, da es sonst zu Verlusten an Inhaltsstoffen kommen kann. Kraut und Wurzel punkten mit zahlreichen Inhaltsstoffen, darunter Mineralien (Eisen, Kalium, Calzium, Silicium, Magnesium), Chlorophyll, Vitamin A und C, Flavonoide (Kämpferol und Quercetin), Lectine, Phytosterole, Polysaccharide, Phenolcarbonsäuren und Lignane. Insgesamt sind Brennnesselzubereitungen sehr verträglich. Lediglich in sehr selten Fällen kann es bei Histamin-empfindlichen Menschen zu allergischen Reaktionen kommen.

ÖKOLOGISCHE ASPEKTE

Brennnesseln gelten als wichtiger Lebensraum für zahlreiche Insekten, darunter Spinnen, Käfer, Wanzen, Fliegenlarven und Ohrwürmer. Schmetterlingsarten wie der Kleine Fuchs, das Tagpfauenauge oder der Admiral legen ihre Eier auf den Brennnesseln ab. Die geschlüpften Larven ernähren sich dann bis zur Verpuppung von den Blättern.

Im biologischen Gartenbau setzt man zum Düngen und bei Ungezieferbefall auf die Brennnesseljauche. Zum Ansetzen braucht es nur reichlich Brennnesseln, Wasser (auf 1 Liter kommen 3 -  5 ausgewachsene Pflanzen) und etwas Geduld. Wenn die Gärung abgeschlossen ist, dann ist sie fertig. In einer Verdünnung mit Wasser von 1 : 10 kann sie bei Blattlausbefall hilfreich sein, mit der Verdünnung 1 : 20 bis 1 : 50 düngt man junge Pflanzen und Setzlinge im Nutz- und Ziergarten.

Vor der Einführung der Baumwolle in Europa nutzte man Brennnesseln als Rohstoff für die Textilien. Die alte Gespinstpflanze hat Faserzellen, aus denen feine und trotzdem widerstandsfähige Stoffe gewebt werden können. Beispielsweise flatterten auf den Entdeckerschiffen im 15. Jahrhundert wetterfeste Segel aus Nesseltuch.

Es gibt sogar einige Studien, die darauf hindeuten, dass Brennnesseln die negativen Effekte von Wasseradern und Radioaktivität verringern, indem sie die Strahlung aus dem Boden aufnehmen und ihn damit reinigen.

IM VOLKSGLAUBEN VERANKERT

Die Kräuterhexen wissen, dass das vitale und ausdauernde Kraut einst in der Magie gebraucht wurde, um Flüche abzuwenden oder sie zurückzusenden, alles Unheil vom Haus fernzuhalten und um das Vieh zu schützen. Wurde in Böhmen die Milch verzaubert oder wollte sie nicht zu Butter werden, schlug man das Butterfass mit Nesseln, bis man Erfolg hatte. Als antidämonisches Mittel schützt sie auch vor Blitz und Donner wenn sie bei herannahendem Gewitter ins Herdfeuer geworfen wird. Deshalb hat sie sich wohl den Volksnamen "Donnernessel" eingehandelt. An Walpurigis (30. April) und Johanni (24. Juni) hat sie eine besondere Macht gegen die dunkle Kräfte. Daneben kennt man noch ihre Wirkung als Aphrodisiakum oder braucht sie zum Orakeln.

KULINARISCH INTERESSANT

Auch kulinarisch hat die Brennnessel einiges zu bieten. Junge zarte Blätter eignen sich als Gemüse, als Füllung für die Lasagne, den Gemüsestrudel oder Suppe zubereitet sowie roh im Salat. Am besten kombiniert man sie mit anderen Blattsalaten.  Nesseln sind in einigen europäischen Ländern Zutat für Frühjahrsgerichte. Traditionell verbackt man die Blätter in Eierspeisen und Pfannkuchen oder bereitet aus ihnen und andern Frühjahrskräutern die Gründonnerstagssuppe zu. Bevor man sie roh isst, müssen die Blätter jedoch gründlich gewaschen und entweder kurz blanchiert, feingehackt oder mit einem Nudelholz plattgewalzt werden, um so die piecksenden Brennhaare auszuschalten. Ihr Grundgeschmack ist spinatartig. Im späten August können Sie die nussigen Samen sammeln, die man am besten getrocknet in den Frischkäse, den Quark oder den Brotteig streut. Sie kräftigen und sind anregend.

MEDIZIN FRÜHER...

Die alten Kräuterbücher sind voll mit Heilanzeigen. Die geschätzte Heilpflanze fand über Jahrhunderte Verwendung bei Fieber, als Abführmittel, Aphrodisiakum, Frühjahrstonikum, Haarwuchsmittel, zur Wundreinigung, als Frauenkraut und bei Monatsbeschwerden. Man behandelte mit ihr die Gicht, jede Art von Wucherungen, Drüsenschwellungen, Abszesse, um den Magen zu reinigen und die Lungen zu öffnen. Die Vielzahl der Heilanzeigen mögen auf den ersten Blick etwas verwirrend erscheinen. Doch besitzt die Brennnessel reinigende Eigenschaften, die die Anwendungen durchaus rechtfertigen.

... UND HEUTE

Ich will hier die Eigenschaften der Brennnessel nochmals systematisch zusammenfassen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn das piecksende Heilkraut hat tatsächlich ein enormes Heilpotential.

Pflanzliches Aquaretikum

Das Brennnesselkraut wirkt wassertreibend und gehört zu den sogenannten Aquaretika. Diese Heilpflanzengruppe wirkt sanfter und nicht so stark als synthetische Diurektika. Aquaretika führen zu einer vermehrten Harnausscheidung, sind aber durch ihren Mineralstoffgehalt (v. a. Kalium-Ionen) in der Lage, die Mineralstoffbilanz im Gleichgewicht zu halten. Deshalb sind sie auch für die Langzeittherapie geeignet und unterstützen die Therapie bei leichtem bis mittelschweren Bluthochdruck, Herzschwäche Grad I bis II, Stauungsödemen, Übergewicht, Venenschwäche oder chronischen Hauterkrankungen.

Da durch die gesteigerte Harnmenge auch vermehrt krankheitserregende Keime ausgespült werden, sorgt die Brennnessel für ein schnelleres Abheilen bei Blasenentzündungen und sie wirkt vorbeugend gegen Nieren- und Blasengrießbildung.

Kraut bei Arthritis und Arthrose

Wegen ihrer schmerzlindernden und entzündungshemmenden Eigenschaften kann die Brennnessel die Therapie bei Arthrose und Arthritis unterstützen. Für die Wirkung wird unter anderem eine selten vorkommende Fettsäure, eine Hydroxyoctadecadiensäure, verantwortlich gemacht. Schon bei Verzehr von 50 g Brennnesseln oder der Einnahme von Brennnesselkapseln täglich, dürfen Patienten einen Rückgang der rheumaspezifischen Symptome erwarten. Dazu zählen Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Steifigkeit. Die tägliche Arzneimitteldosis an Schmerzmitteln kann somit reduziert werden, sodass weniger Nebenwirkungen auftreten. Gleichzeitig wird der Organismus mit Vitalstoffen und Antioxidantien versorgt.

Die Wurzel für die Prostata

Der Extrakt aus der Brennnesselwurzel ist auch ein bewährtes Phytotherapeutikum bei gutartiger Prostatavergrößerung. Er entfaltet seine Wirkung jedoch erst nach mehrwöchiger Anwendung.  Dazu gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. So bessern sich nach 3-monatiger Anwendung deutlich Beschwerden wie der nächtliche Harndrang, ein Nachträufeln, ein Restharngefühl und wie auch ein abgeschwächter Harnstrahl. Besonders Männer mit leichter bis mittelschwerer Prostatavergrößerung (Prostataadenom I bis II) profitieren davon. Insgesamt ist die Brennnesselwurzel gut verträglich, Risiken und Nebenwirkungen sind bei einer Tagesdosis von 4 bis 6 g nicht bekannt. Gelegentlich können leichte Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Das Phytopharmakon kann die Vergrößerung nicht rückgängig mach, jedoch lindert sie die Symptome. Meist werden Fertigarzneimittel verwendet, häufig in Kombination mit Kürbissamen, Sabalpalme oder Roggenpollen.

Samen bei Unfruchtbarkeit und Impotenz

In alten Zeiten wurden die nährstoffreichen Brennnesselsamen häufig gesammelt. Ihre potenzfördernde Wirkung war weitläufig bekannt, so dass es zu einem mittelalterlichen Brennnesselsamen-Verzehrverbot für Mönche kam, um deren Keuschheitsgelübde nicht zu gefährden. Auch die Pferdehändler bedienten sich der Wirkung. Unters Futter gemischt verleihen die Samen Pferden ein seidig glänzendes Fell und manch eine alte Mähre soll dadurch wieder in ein feuriges Ross verwandelt worden sein. Was fürs Pferd gut ist, ist in diesem Fall auch für den Menschen gut. Brennnesselsamen enthalten neben hochwertigem Eiweiß auch fettes Öl, Schleime, hormonähnliche Substanzen (Sitosterol), Carotinoide und weisen einen hohen Vitamin E-Gehalt auf. Innerlich kann man sie als Tonikum und leichtes Stimulanz verwenden. Das fördert nicht nur die Libido, Potenz und Zeugungsfähigkeit des Mannes, sondern auch die Milchproduktion bei stillenden Müttern und generell den Haarwuchs.

Frauenkraut und Eisenpflanze

Durch ihren Mineralstoffgehalt kann die Brennnessel die Folgen eines Eisenmangels ausgleichen, denn die Brennnessel liefert gut verwertbares Eisen. Ein Eisenmangel zeigt sich durch Hautblässe, Erschöpfung, chronische Müdigkeit und durch niedrige Eisenwerte im Blut (Fe, Hb, Ferritin). Vor allem Frauen mit starker Menstruation sollten möglichst schon mehrere Tage vor der Periode täglich eine Tasse Brennnesseltee trinken, die Brennnessel als Blattgemüse verzehren oder in Form von flüssigen Kräuterauszügen zu sich nehmen. Dies gilt auch für Frauen mit starken Blutverlusten nach der Geburt. Die Brennnessel kann ebenso wirksam wie die Eisentabletten sein, jedoch ist sie weitaus verträglicher. Nebenwirkungen wie eine Dunkelfärbung des Stuhls, Verstopfung, Übelkeit und Magendrücken sind bei der Heilpflanze so gut wie unbekannt. Zudem lindert sie die Beschwerden der PMS (prämenstruelles Syndrom), da die mineralhaltige Pflanze beim Abbau von Ödemen unterstützt oder bei sexueller Schwäche, denn das feurige Kraut stimuliert.

Pflanzenzubereitungen

Brennnesselblätter-Tee
2 gehäufte TL der fein geschnittenen Blätter mit 1/4 l heißem Wasser übergießen, 5 bis 10 Minuten ziehen lassen, anschließend durch ein Teesieb abseihen. 2 - 3 Tassen täglich während der Akutphase oder kurmäßig über 6 Wochen trinken. Zusätzlich sollten die Patienten noch reichlich Wasser trinken, um die Harnwege zu spülen. Vorsicht gilt jedoch bei fortgeschrittener Herz- und Nierenschwäche oder Wassereinlagerungen im Gewebe, denn dieser Patientengruppe ist nur eine bestimmte Flüssigkeitsmenge zuträglich.

Brennnesselwurzel-Tee bei leichter Prostatahyperplasie und Miktionsbeschwerden
1 gehäuften TL Brennnesselwurzel mit 1/4 l kaltem Wasser ansetzen, kurz aufkochen lassen und dann 10 Minuten lang ziehen lassen, ehe er abgeseiht wird. 2 - 3 Tassen täglich ist hier die richtige Dosierung.

Brennnesselsamen zur Luststeigerung für den Mann
Die Brennnesselsamen entweder frisch oder getrocknet verwenden. Am besten bewahrt man sie in dunklen Gefäßen auf, um damit eine längere Haltbarkeit zu erzielen. Ihr nussiger Geschmack harmoniert gut im Müsli, Frischkäse oder Kräuterquark. 1 EL täglich über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen sollten es schon sein, um eine positive Wirkung zu erzielen.

Nesselsaft bei Eisenmangel, Müdigkeit und Erschöpfung
Die im Mai geernteten Blätter haben den höchsten Eisengehalt. Frische Blätter durch den Fleischwolf drehen und anschließend mit dem Mixer pürieren. Dann durch ein Leinentuch ausdrücken.  2 - 3 EL täglich mit etwas Zitronensaft vermischt füllen zuverlässig die Eisenspeicher auf. Alternativ gibt es Brennnesselsaft im Naturkostladen oder im Reformhaus zu kaufen.


Literatur: Ritter Claudia: Heimische Nahrungspflanzen als Heilmittel, AT Verlag 2013

 

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