Beinwell - Symphytum officinale

Mit Beinwell wächst zusammen, was zusammen gehört

Die botanische Bezeichnung für das Raublattgewächs lautet Symphytum officinale und leitet sich von dem griechischen "syn" = zusammen und "phyo" = wachsen ab, was soviel wie "zusammenwachsen, zusammenfügen" bedeutet. Die erste Teil der deutschen Bezeichnung "Bein-Well" zeigt eine Beziehung zu den Ge-Beinen oder Knochen und der deutsch-englische Wortteil "well" steht für gesund, gut, wohlauf. Beide Bezeichnungen weisen darauf hin, dass die wundheilenden und kallusfördernden Heilkräfte schon in den früheren Jahrhunderten bekannt war und Zubereitungen der Pflanze zur Wundheilung und Linderung bei Knochenbrüchen verwendet wurde.

Der Volksmund kennt noch viele andere Namen wie Beinbruchwurzel, Beinheil, Beinwurz, Bienenkraut, Consolida, Chüechlichrut, Eselohrwurzel, Glotwurzel, Hasenbrot, Hasenlaub, Honigblum(e), Imbelichrut, Komfrey, Kuchenkraut, Lotwurz, Milchwurz, Schadheil, Schmalwurz, Schmerzwurz, Schwarzwurz, Soldatenwurzel, Speckwurz, Wallwurz, Wellwurz, Wottel und Wundallheil. Beinwurz, Schwarzwurz, Komfrey und Wallwurz sind sehr gebräuchliche Volksnamen.

Pflanzenkunde

Die mehrjährige Beinwellstaude ist in Europa, Asien und bis nach Sibirien heimisch. Sie bevorzugt feuchte Wiesen, Gräben und Uferzonen, wird 30 bis 100 cm hoch und ist mit einer dicken, saftigen und rübenförmigen Pfahlwurzel bis 30 cm tief in der Erde verankert. Außen ist diese dunkelbraun bis schwärzlich, innen hellgelb, saftig bis schleimig und schmierig. An den rauborstigen saftigen Stängeln sitzen die lang zugespitzten, lanzettlichen ebenfalls stark behaarten Blätter, die weit am Stängel herablaufen. Das Aussehen des Beinwells erklärt auch seine Familienzugehörigkeit, denn er gehört wie der Borretsch zu den Raublattgewächsen (Boraginaceae). Aus den Achseln der oberen Blättern entspringen die zart-violetten (manchmal auch gelblich-weißen) schmalglockigen Blüten, die Trauben bilden. Die Blütezeit ist von Mai bis August.


Signatur

"Alles Innere soll man an dem Äußeren erkennen." Das Zitat von Paracelsus lässt auch beim Beinwell Rückschlüsse auf das Wesen und die Signatur zu. Die Blattpaare des Beinwells verlaufen am Stielansatz zusammenlaufend und sind derart mit dem Stängel verwachsen, dass sie sich kaum abreißen lassen.  Übertragen auf den menschlichen Körper drückt der Beinwell mit seiner zusammenhaltenden Kraft "Auseinandergeratenes" wieder zusammen. Er zeigt damit die festhaltende Kraft mit der Beinwell Knochen und Gewebsverletzungen wieder zusammen fügt.

Die hübschen, zart-violetten Blüten stehen im Gegensatz zu der sonst recht derben und rauen Struktur der Blätter. Die Pflanze zeigt damit auch das Gegenpolige. Sie kann zur gleichen Zeit auflösen und festigen. Die Blüten öffnen sich nicht wie üblich nach oben zur Sonne, sondern zeigen nach unten zur Wurzel, die eine derart "wallende" (wallen = zusammenheilen von Knochen) Kraft besitzt, dass abgeschnittene Wurzelteile im Boden wieder zusammenwachsen.

Medizingeschichte

Der griechische Militärarzt Pedanios Dioskurides hatte im ersten nachchristlichen Jahrhundert auf seinen Feldzügen sicher häufig Wundverletzungen und Knochenbrüche der kaiserlichen Soldaten Claudius und Neros zu behandeln. Er schätzte die Pflanze vor allem als Wund- und Knochenkraut, aber auch gegen Blutspucken und zur Behandlung von inneren Abszessen. Noch heute sind die Hauptanwendungsgebiete alle Arten von äußeren und inneren Verletzungen, Quetschungen, Blutergüssen und Prellungen.

In unserem Kulturkreis ist die Pflanze eng mit der Heilkunde der Hildegard von Bingen verbunden. Auch die Äbtissin vom Rupertsberg empfahl die "Consolida" wie sie den Beinwell nannte, zur Heilung von Wunden und Knochenbrüchen.

Der deutsche Naturforscher, Arzt und Botaniker Lonicerus schrieb im 16. Jahrhundert zur "Wallwurz" u.a. in seinem Kräuterbuch: "Die schwarze Wallwurz ist warmer und feuchter Natur. Zu allen Wunden / Rissen und Brüchen / außen und innen ein gar heilsame Wurzel". Er verordnete sie auch bei Bluterbrechen und die in Wein gesottene Wurzel bei Lungenerkrankungen.

Und die österreichische Kräuterkundige Maria Treben berichtet von erstaunlichen Heilerfolgen mit warmen Breiumschlägen der Beinwellwurzel bei Lähmungen nach Schlaganfällen, Linderung bei Querschnittslähmungen und eine erfolgreiche Behandlung einer Knocheneiterung, die nach einer Hüftfraktur entstanden ist.

Inhaltsstoffe

Pharmakologisch wichtige Inhaltsstoffe der Beinwellwurzel sind ca. 0,6 - 0,8% Allantonin und Pyrrolizidin-Alkaloide mit stark schwankenden Werten (0,04-0,6%). Weiter 4 - 6% Gerbstoffe, reichlich Schleimstoffe (Fructane), Inulin, Stärke. Triterpene, Sterole, Kieselsäure, Phenolcarbonsäure (u.a. Salicylsäure, Kaffeesäure, Rosmarinsäure, Chlorogensäure), ein antiphlogistisch wirkendes Glykopeptid, Aminosäuren, Asparagin

Heilanwendung und Wirkspektrum

Die Monographie der Kommission E (BAnz Nr. 138 vom 27.07.1990) nennt als Anwendungsgebiet für die Beinwellwurzel die äußere Anwendung bei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen.

Durch klinische Studien wurden weitere Anwendungsgebiete belegt: Zur äußerlichen Behandlung von Schmerzen und Schwellungen bei Kniegelenksarthrose degenerativen Ursprungs, akuten Myalgien im Bereich des Rückens, Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen nach Sport- und Unfallverletzungen. Zubereitungen der Wallwurz werden auch bei verhärteten und schlecht heilenden Narben, Frostbeulen, Ekzemen, Phantomschmerzen nach Amputationen, Sehnenscheidenentzündungen oder Thrombophlebitis verwendet. Die Erfahrungsheilkunde nutzt Beinwellsalben ebenso zur Behandlung bei Hämorrhoidalleiden des ersten und zweiten Grades ebenso wie bei Nagelbettentzündungen. Bei der Behandlung von stumpfen unblutigen Verletzungen haben sich zu Beginn der Therapie kühlende Umschläge und später die Anwendung von Beinwellzubereitungen bewährt.

Die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe der Droge sind teilweise noch nicht erforscht. Eine bedeutende Rolle für die analgetischen, antiphlogistischen und granulationsfördernden Wirkungen dürfte auf die Zimtsäurederviate (Rosmarinsäure, Chlorogensäure) sowie dem Allatonin zukommen, (Wichtl, 2009). Allantonin ist ein Endprodukt des Purinstoffwechsels und kommt neben tierischen Organismen auch in Pflanzen wie der Schwarzwurzel, in Weizenkeimen und im Beinwell vor. Es fördert die Zellproliferation, die Epithelbildung und entfernt nekrotisches Gewebe, weshalb Beinwellsalben auch zur Behandlung von hartnäckigen varikösen Unterschenkelgeschwüren und chronischen Ulzerationen verwendet werden. Die Gerbstoffe fällen Eiweiß aus, haben eine abdichtende und entzündungshemmende Wirkung. Die Aminosäure Cholin könnte für eine raschere Resorption von Blutergüssen sorgen. Es vermindert den Austritt von Gewebeflüssigkeit und damit Wassereinlagerungen. Außerdem fördert es gleichzeitig die Durchblutung des geschädigten Gewebes. Die Schleimstoffe wirken zusätzlich entzündungswidrig und reizmildernd.

Rezept und Präparate

Aufguss zur äußeren Anwendung aus dem Beinwellkraut
Das frische Kraut wird vorzugsweise vor und während der Blütezeit gesammelt.
100 g getrocknetes und geschnittenes Beinwellkraut in einem Liter Wasser zehn Minuten lang kochen, abseihen. Für einen Umschlag taucht man ein ausgekochtes Leinentuch in den körperwarmen Aufguss ein, wringt es aus, legt es auf die betroffene Stelle und deckt es mit einem Frotteetuch ab. Eventuell mit einer Binde befestigen, einwirken lassen. Den Wickel erneuern und eine Unterkühlung vermeiden.

Sicherheitshinweise

Die in der Beinwellwurzel in geringen, schwankenden Mengen enthaltenen Pyrrolizidin-Alkaloide können in hohen Dosen Leberschäden verursachen, das Erbgut schädigen und die Entstehung von Krebs begünstigen. Deshalb soll die Wurzelzubereitung nicht als Teedroge verwendet werden. Die applizierte Tagesdosis darf nicht mehr als 100µg Pyrrolizidin-Alkaloide enthalten und es wird von einer inneren Anwendung bzw. längeren äußerlichen Anwendung von mehr als 4 bis 6 Wochen pro Jahr, von der Anwendung auf offenen Wunden, in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern abgeraten (Kommission E).

Zur Herstellung von Fertigarzneien werden Pyrrolizidin-arme Sorte verwendet, die zusätzlich durch Spezialverfahren weitgehend von den Alkaloiden befreit worden sind, deshalb gilt die zeitliche Anwendungsbeschränkung von 4 bis 6 Wochen bei modernen Beinwellfertigpräparaten heute nicht mehr.

Dazu eine Anmerkung: Toxikologische Untersuchungen von Pflanzendrogen werden fast ausschließlich aus extrahierten Einzelstoffen durchgeführt. Die Wirkung einer Pflanze ist in den seltensten Fällen auf nur einen Wirkstoff zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Vielstoffgemisch, deren Zusammenwirken erst das Wirkprinzip ermöglicht.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Aristoteles (384 v. Chr. - 322 v. Chr.)

Ein Beispiel für die Aussagekraft von Untersuchungsergebnissen von Einzelstoffen ist der Ingwer, aus dessen Wirkstoffkomplex mehrere Wirksubstanzen extrahiert und einzeln getestet wurden. Dabei stellte man fest, dass einige dieser Einzelstoffe mutagen, die Mehrheit jedoch antimutagen wirken, woraus man schloss, dass die Gesamtwirkung der Droge als antimutagen einzustufen ist.

Symphytum enthält wie der Huflattich und die Pestwurz toxische Pyrrolizidin-Alkaloide für die experimentiell mutagene und kanzerogene Wirkungen beschrieben wurden. Jedoch wurde die Beinwellpflanze in Ostpreußen auch als Gemüsepflanze verzehrt. Aus den Angaben geht leider nicht genau hervor, ob es sich dabei um den Gewöhnlichen Beinwell (Symphytum officinale) oder den aus Sibirien stammenden Symphytum peregrinum handelte. Bei den sogenannten "Komfrey-Essern" und den mit Beinwell gefütterten Tieren sind bisher keine Daten über ein höheres Krebsrisiko im Vergleich zu Normalpersonen bekannt. Trotz dieser Beobachtungen hat die Kommission E nach langen und kontroversen Diskussionen entschieden, Symphytum officinale in phytotherapeutischen Dosen nur für die äußere Anwendung zuzulassen (Fintelmann/Weiß, 2009).

Literatur
Fintelmann Volker / Weiß Rudolf Fritz: Lehrbuch Phytotherapie, Hippokrates Verlag Stuttgart, 2009
Fischer-Rizzi Susanne: Medizin der Erde, AT Verlag, 2010
Lonicerus Adamus: Kreuterbuch, Reprint Konrad Kölbl der Ausgabe 1679 von Matthäus Wagner, 1962
Treben Maria: Gesundheit aus der Apotheke Gottes, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 1980
Wichtl Max: Teedrogen und Phytopharmaka; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart
Willfort Richard: Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag Linz, 1973

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