Anis - Pimpinella anisum

Die Verwendung des Brotgewürzes in der Heilkunde

Medizingeschichte

Anis gehört zu den ältesten Arzneimitteln. Der „Süße Kümmel“ oder „Römische Fenchel“, wie er auch genannt wird, stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum und wird seit 4000 Jahren als Heil- und Gewürzpflanze angebaut. Die Römer verfeinerten Wein, Oliven und Brot mit dem Gewürz und im Mittelalter glaubte man, dass Anis die Potenz steigern würde. Auch heute noch sagt man ihm eine aphrodisierende Wirkung nach.

Ausführlich beschrieb ihn Tabernaemontanus in seinem Kreuterbuch: "Unsere Weiber backen den ins Brodt und machen das Zuckerbrodt Biscoct genannt darmit / und gibt solcher Saamen dem Brodt nicht allein ein guten lieblichen Geschmack / sondern es ist auch nützlich in etlichen Kranckheiten gebrauchet: Als nemlich in den Blähungen des Magens / des Miltzes und der Därm: desgleichen im Seiten- und Nierenwehe / Bauchwehe / Grimmen / Därmgegicht / Wassersucht / in allen kalten Gebrechen der Lebern und Verstopfung derselben / in Nierengebrechen und dem Stein / und in Unfruchtbarkeit der Weiber".

Kulinarik

Der typische Anisgeschmack ist aromatisch, süßlich-scharf und erinnert an Lakritz. Anis ist ein beliebtes Küchengewürz und dient zum Verfeinern von Backwaren, Gemüsen oder fernöstlichen Fleisch- und Fischgerichten. Weit verbreitet sind die weihnachtlichen Anisplätzchen. In Süddeutschland wird heute noch Anis im Brot verbacken. Darauf weist auch der Name „Brotsamen“. Aber auch alkoholische Getränke wie der türkische Raki, der griechische Ouzo und der französische Pernod enthalten Anis.

Pflanzenkunde

Echter Anis (Pimpinella anisum) gehört zur Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Die Laubblätter sind gesägt bis leicht gelappt oder gefiedert. Die einjährige Pflanze mit den kleinen weißen Dolden blüht je nach Lage von Mai bis August und wird bis zu 80 cm hoch.  

Für medizinische Zwecke werden die reifen getrockneten, eiförmigen Spaltfrüchte (Anisi fructus) und das ätherische Öl aus den reifen Früchten (Anisi aetheroleum) verwendet.

Die Hauptanbaugebiete liegen in Europa, dem Mittleren Osten und Nordafrika. Für den Eigenbedarf kann er auch selbst angebaut oder wildwachsend geerntet werden. Verhängnisoll könnte beim Sammeln eine Verwechslung mit den beiden sehr giftigen Schierlingsarten (Wasserschierling oder Gefleckter Schierling) werden. Diese unterschieden sich jedoch am stinkenden Geruch von dem angenehm würzigen Geruch der Anispflanze.

Inhaltsstoffe

Die pharmakologisch wichtigen Inhaltsstoffe des Anissamens sind vor allem bis zu 6% ätherisches Öl, das zu 85 – 96 % aus trans-Anethol und bis 5% Estragol besteht, ca. 30% fettes Öl (hauptsächlich Petroselinsäure und Ölsäure), Stärke, Proteine, Mineralien (v.a. Eisen) und kleine Mengen Phenylacrylsäuren, Flavonoide und Cumarine.

Im Europäischen Arzneibuch sind für Anisöl sowohl Pimpinella anisum als auch der Sternanis (Illicium verum) zugelassen. Die beiden Ölarten sind jedoch nicht identisch,  beispielsweise hat Sternanisöl einen höheren Safrol-Gehalt (Ross, 2009).

Wirkung und Anwendung

Anis wird als schleimlösendes und auswurfförderndes Mittel bei Hustenerkrankungen eingesetzt. Das ätherische Öl von Pimpinella steigert die Schleimsekretion in den Schleimhäuten der Atemwege und stimuliert die Bewegung der Ziliarkörper so, dass diese den Schleim nach oben befördern können. Außerdem reduziert Anethol-Dampf die Dichte der Flüssigkeit in den Atemwegen, so dass dickflüssiger Schleim leichter expektoriert werden kann.

Zudem wirkt Anis verdauungsfördernd (u.a. durch Anregung der Speichel- und Magensaftsekretion) und krampflösend, so dass es in vielen pflanzlichen Magenmitteln als Carminativum verwendet wird. Bekannt ist auch die Tee-Mischung „Fenchel-Anis-Kümmel“, in der sich die Bestandteile optimal ergänzen und zum Teil in der Wirkung verstärken.

Aufgrund der antibakteriellen Wirkung von Anisöl wird es auch in Mundwässern genutzt. So wurde nachgewiesen, dass Anis-Extrakt die Resistenz von Pseudomonas aeruginosa (ein nosokomialer Keim) gegen Antibiotika verringert, selbst bei Einsatz von Antibiotika-Dosen, die unter den normal wirksamen Dosen zur Bekämpfung des Bakterienwachstums lagen (Ross, 2009). Dies zeigt die bedeutende Rolle, die Kräuter bei der Reduzierung der Einnahmedosen von Antibiotika spielen können.

Hebammen und junge Mütter wissen schon seit langem um die Steigerung der Milchbildung und die beruhigende Wirkung auf den Säugling.

Die äußerliche Anwendung von Anisöl kann als Salbe bei Kopfläusen und Krätze erfolgen.

Anwendungsbeschränkungen

bestehen wegen der östrogenhaltigen Wirkung bei Mammatumoren und der fruchtbarkeitsminderenden Wirkung von trans-Anethol in der Schwangerschaft; gelegentlich treten allergische Reaktionen auf; Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Reines Anisöl darf nicht unverdünnt eingenommen werden. Für Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere ist die Anwendung von Anisöl nicht geeignet.

Literatur
Katzer Gernot, Fansa Jonas: Picantissimo - Das Gewürzhandbuch, Verlag Die Werkstatt, 2011
Ross Jeremy: Westliche Heilpflanzen und Chinesische Medizin – Eine klinische Materia Medica, Verlag für Ganzheitliche Medizin Bad Kötzting, 2009
Schneider Ernst: Nutze die Heilkraft unsrer Nahrung, Saatkorn Verlag Hamburg
Tabernaemontanus Jacobus Theodorus: Neu vollkommen Kreuterbuch, Reprint Konrad Kölbl der Ausgabe von 1731
Teuscher Eberhard: Gewürzdrogen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2003
Van Wyk Ben-Erik: Handbuch der Nahrungspflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2005
Willfort Richard: Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag Linz, 1973

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