Muskat - Myristica fragrans

Muskat - Myristica fragrans
Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift - allein die Dosis macht, das ein Ding' kein Gift ist.- Paracelsus (1493 - 1541)

Vom Muskatbaum werden Samen (Nuss) und der Samenmantel (Macis) verwendet, die ein sehr ähnliches Wirkspektrum haben. Wegen ihrer Toxizität bei zu hoher Dosierung nutzt man beide in der traditionellen abendländischen Medizin nur noch selten. Sie sind aber bedeutende Arzneien, mit denen die Verdauung angeregt und Infektionen des Verdauungstrakts behandelt werden können. Das ätherische Öl ist in verdauungsfördernden Arzneimitteln enthalten und zur äußeren Anwendung geeignet.

Botanik

Der bis zu 20 m hohe, zweihäusige Muskatbaum gehört zur Familie der Muskatnussgewächse (Myristicaceae) und stammt ursprünglich von den indonesischen Banda-Inseln. Er kann bis zu einhundert Jahre alt werden und blüht das ganze Jahr, so dass an den Bäumen neben den an Maiglöckchen erinnernden weißen Blüten stets reife Früchte zu finden sind. Zwei- bis dreimal im Jahr werden insgesamt bis zu 2000 Früchte pro Baum von speziellen Muskatnusspflückern geerntet. Die volle Produktivität erreicht der Baum jedoch erst nach 15 bis 20 Jahren.

Im botanischen Sinn ist die pfirsichähnliche Frucht des Muskatnussbaums keine Nuss, sondern eine einsamige Beere. Unter dem Fruchtfleisch verbirgt sich ein Steinkern, der einen ölhaltigen Samen enthält, die Muskatnuss. Der karminrote Samenmantel kommt in getrockneter Form als Muskatblüte oder Macis in den Handel. Die bis zu 2,5 cm großen Samen werden in speziellen Darrhäusern über mehrere Monate langsam getrocknet. Zuvor wird jedoch der rote netzartige Samenmantel (Macis) abgelöst. Somit liefert der Baum zwei Gewürze bzw. Arzneimittel.

Synonyme und ihre Bedeutung

Volksnamen Nuss: Bandanuss, Suppennuss
Volksname Macis: Muskatblüte

Der botanische Gattungsname Myristica leitet sich von dem griechischen Wort myristikos  = wohlriechend ab. Der lateinische Artname fragrans hat eine ähnliche Bedeutung und kann mit "duften" übersetzt werden.

Inhaltsstoffe

Muskatnuss: Ätherisches Öl (bis zu 16%) mit Sabinen, α-Pinen, β-Pinen, α-Terpinen, ϒ-Terpinen, Limonen, Myristicin, Elemicin und Safrol, dem auch die halluzinogene Wirkung aber einer Dosis von mehreren Gramm zugeschrieben wird. Weiter bis zu 40% fettes Öl (Muskatnussbutter) mit Myristinsäure; Triterpene, Sterole, Gerbstoffe und Stärke.

Das ätheri­sche Öl aus der Muskat­blüte enthält etwa dieselben Aroma­kompo­nenten wie das der Muskat­nuss, allerdings mit etwas höherer Konzentration an Myristicin. Die karminrote Farbe der frischen Macis entsteht durch Carotinoide.

Geschmack und Geruch

Sowohl Nuss als auch Blüte haben einen würzig, aromatischen, harzigen und warmen Geschmack. Der Muskatblüte sagt man meist ein etwas feineres Aroma nach, aber der Unterschied ist nicht besonders groß. Nach dem Mahlen verliert Muskat seinen Geschmack sehr rasch; am besten schabt oder reibt man die nötige Menge Muskat frisch vor Gebrauch von einer ganzen Nuss ab. Der Geruch ist kräftig und angenehm würzig.

Kulturgeschichtliche und kulinarische Verwendung

Ursprünglich wuchsen die Muskatbäume fast ausschließlich auf einer winzigen, unzugänglichen Inselgruppe der Südmolukken, den Banda-Inseln. Da diese Inselgruppe außerhalb der alten Schifffahrts- und Handelswege lag, war die Muskatnuss im klassischen Altertum in Europa unbekannt. Arabischen Ärzten war es zu verdanken, dass ab dem achten bis 11. nachchristlichen Jahrhundert die Muskatnuss über die Klöster des Abendlands langsam verbreitet wurde.

Muskatnüsse galten lange Zeit als sehr wertvoll; man schrieb ihnen unter anderem zu, das einzige Mittel gegen die Pest zu sein. Die Briten, Spanier, Portugiesen und Niederländer bekriegten sich wegen der teuren "Frucht". Aufwändig verzierte Muskatnussreiben galten lange Zeit als Statussymbol hoher Herrschaften und wurden, die ähnlich wie die Handys heute, an einem Gürtel hängenden Etui getragen.

Wie viele Gewürze, wurde im Orient die Muskatnuss seit alters her als Heilmittel bei verschiedenen Beschwerden verabreicht. Zu Zeiten des Ibn Sina, auch Avicenna genannt, mische man bei chirurgischen Eingriffen Opium mit Muskat, um eine anästhetische Wirksamkeit zu erzielen.

Auch in Europa wurde sie anfangs nur als Arzneidroge verwendet und erst allmählich ein Gewürz im moderneren Sinne. Sie galt als hilfreich zur Stärkung der Gedächtnisleistung, bei Mundgeruch, Brechreiz, Durchfall und als harntreibendes Mittel; äußerlich angewendet bei Rheumatismus und Neuralgien - Indikationen, die heute noch gültig sind. Die antimikrobiellen Eigenschaften sind heute unbestritten, werden medizinisch jedoch heute kaum mehr genutzt. Jacobus Tabernaemontanus fasste im 16. Jahrhundert das Wirkspektrum so zusammen: "In Summa / es dienet diese edle Muscatennuß wider alle kalte Gebrechen des Haupts / des Hirns / des Magens / der Leber und der Mutter so man Abends und Morgens der eingemachten eines Scrupels schwer vor der Mahlzeit isset". (Anmerkung: Ein Skrupel entspricht etwa 1,25 g. Die Muskatnüsse wurden zu dieser Zeit mit Honig und Zucker eingemacht).

Kulinarisch schätzt man den aromatischen, leicht bitteren und harzigen Muskat vor allem in Nordindien, im Iran und den nordafrikanischen Ländern. Fisch, Geflügel, junges Gemüse, Suppen, Gebäck und Süßspeisen werden im Orient mit Muskat gewürzt. In den westlichen Ländern bevorzugt man Muskat für Lebkuchen und Kompotte; er verträgt sich auch gut mit Käse, etwa im Schweizer Fondue. Besondere Klassiker sind mit Muskat gewürzter Spinat oder Kartoffelbrei. Außerdem ist es die typische Würze für die französische Becamelsauce,  die italienische Lasagne und das griechischen Mousaka.

Zerbrochene, von Insekten und Pilzen befallene Nüsse - im Handel als "BWP-Ware" bezeichnet (vom Englischen broken, wormy, punky) - dürfen eigentlich nur noch zur Gewinnung von Muskatöl verwendet werden. Gelegentlich werden sie aber auch gemahlen und gelangen illegal in den Verkauf. Wegen der Gefahr von Schimmelpilzen sollte man möglichst keine gemahlenen Nüsse verwenden. Ganze Nüsse erhalten außerdem das Aroma viel länger.

Heilanwendung

Der aromatische Geschmack der Muskatnuss und der Muskatblüte regen die Sekretion der Speicheldrüsen in der Mundhöhle und der Verdauungsdrüsen im Magen-Darm-Trakt an, so dass eine verdauungsfördernde und appetitanregende Wirkung anzunehmen ist. Das ätherische Muskatnussöl hat zudem eine leicht betäubende und anregende Wirkung auf Magen und Darm, so dass der Appetit angeregt, Übelkeit und Erbrechen und Durchfall abgeschwächt werden. Sind Bakterien die Ursache für Durchfall und Erbrechen, wird die lindernde Wirkung zusätzlich durch die antimikrobielle Wirkung des ätherischen Öls unterstützt. Dazu täglich eine Tasse Pfefferminzaufguss mit einer Prise Muskatnuss trinken.

Es liegen eine Reihe von wissenschaftlichen Ergebnissen über das Wirkspektrum des Muskats vor, angefangen von einer antithrombotischen Wirkung, über die Senkung des Cholesterin- und Triglyceridspiegels bis hin zur antitumoralen Wirkung (Teuscher, 2003), die in der heutigen Phytotherapie jedoch keine spezifische Anwendung finden.

In der Erfahrungsheilkunde wird eher die sedierende Wirkung der Muskatnuss genutzt und eine Tasse warmer Milch mit einer Prise Muskatnuss gewürzt, verwendet, um ins Reich der Träume zu fallen und Ein- und Durchschlafstörungen zu verhindern.

In einigen orientalischen Rezepten zur Herstellung von anregenden Elixieren und berauschenden Aphrodisiaka ist die Muskatnuss Bestandteil. Die Zuschreibung dieser Wirkung verdankt sie dem charakteristischen Duft und der Tatsache, dass ihr nach der Elementenlehre die Qualität "heiß" und "trocken" zugeschrieben wurde. Möglicherweise entfalten die psychoaktiven Stoffe tatsächlich eine anregende Wirkung.

Das verdünnte ätherische Öl kann zur äußeren Anwendung verwendet werden; die Einreibungen rufen einen Gegenreiz hervor und regen so die lokale Durchblutung an. Dank ihrer durchblutungsfördernden, erwärmenden, schmerzstillenden und entzündungshemmenden Eigenschaften sind die ätherischen Öle der Muskatnuss hilfreich bei Muskel- und Rückenschmerzen, Myalgien und rheumatischen Beschwerden.

Das homöopathische Bild von Nux moschata zeigt eine ausgeprägte Tendenz zu Ohnmachtsanfällen bei kalten Extremitäten, extremer Trockenheit der Schleimhäute und unwiderstehlicher Müdigkeit. Magen: Übermäßig aufgebläht, Dyspepsie mit Blähungen. Schluckauf und heftiges Verlangen nach stark gewürzten Speisen. Abdomen: Außergewöhnlich aufgetrieben. Der Stuhl ist weich und kann dennoch nicht entleert werden. Schwäche während oder nach dem Stuhlgang. Verschlechterung durch kalten, feuchten Wind, kaltes Essen, Liegen auf der schmerzhaften Seite, Bewegung und Erschütterung. Verbesserung durch Wärme und trockenes Wetter.

Toxikologie

Die Verwendung der Muskatnuss und Macis sind ungefährlich, solange sie in geringen Mengen als Arznei oder Gewürz angewendet werden. Ab einer Dosierung von etwa 5 Gramm (das entspricht etwa einer kleinen ganzen Muskatnuss) wirken sie stark anregend, halluzinogen und toxisch. Schon der Verzehr von zwei ganzen Muskatnüssen hat nachweislich Todesfälle verursacht. Für die Giftigkeit und halluzinogene Wirkung verantwortlich ist in erster Linie das Myristicin, das isoliertes Safrol wirkt  in hoher Dosierung karzinogen und abortiv.

Die Vergiftungserscheinungen treten erst nach einigen Stunden auf und reichen von Schweißausbrüchen, Durstgefühl, Kopfschmerzen, leichten Bewusstseinsveränderungen, Tachykardie, intensiven Halluzinationen, Tiefschlaf bis hin zu Todesfällen.

Rezepte

Die einfachste und wohlschmeckendste Form der Muskatnuss-Anwendung ist die Verwendung als Gewürz in der Küche. Hier kommt der Satz des Begründers der wissenschaftlichen Medizin, Hippokrates von Kos, voll zum Tragen: "Eure Nahrung sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel eure Nahrung sein". Jedoch sollte man berücksichtigen, dass die Nüsse nach einer Lagerzeit von mehr als einem Jahr beachtlich an Aroma und Wirkstoffen verlieren und zu warm und feucht gelagerte Gewürze häufig mit Aflatoxinen belastet sind, die beim Menschen die Entstehung von Krebs begünstigen, Nieren und Leber schädigen, das Immunsystem beeinträchtigen oder Durchfall und Erbrechen verursachen können.

Die Anwendung erfolgt in Form der pulverisierten Droge oder von Zubereitungen (Fluidextrakt, Tinktur, Sirup) bis 3mal täglich einer Drogenmenge von 0,3-1 g entsprechend.

Bei Magen-Darm-Erkrankungen
Einen Kräutertee zubereiten, welcher mit einer Prise frisch geriebenen Muskat bereichert wird. Über maximal 14 Tage täglich eine Tasse davon trinken.

Muskatnuss in Milch zur Nervenberuhigung und als Schlafhilfe
Eine Tasse 3,5%ige Milch auf Körpertemperatur erwärmen. Eine Prise frisch geriebene Muskatnuss dazugeben. Durch die fetten Bestandteile der Milch lösen sich nicht nur die wasserlöslichen Stoffe, sondern auch die fettlöslichen ätherischen Öle.

Ätherisches Öl zur äußeren Anwendung
Einige wenige Tropfen (max. 5) mit 50 ml Basisöl verdünnen und in kreisenden Bewegungen einmassieren.

 
 
 
Literaturhinweise
Boericke William: Handbuch der homöopathischen Materia medica, Haug Verlag Heidelberg, 1996
Chevallier Andrew: Das große Lexikon der Heilpflanzen, Dorling Kindersley Ltd. London, 2001
Henss Rita: Safran & Kardamom - Die orientalische Gewürzküche, Thorbecke Verlag, 2009
Katzer Gernot, Fansa Jonas: Picantissimo - Das Gewürzhandbuch, Verlag Die Werkstatt, Göttingen, 2011
Pahlow Mannfried: Gesunde Gewürze, Hirzel Verlag Stuttgart, 2011
Tabernaemontanus Jacobus: Neu vollkommen Kreuterbuch, Nachdruck der Ausgabe von 1731,  Konrad Kölbl, München, 1970
Teuscher Eberhard:  Gewürzdrogen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2003
Vaupel Elisabeth: Gewürze - Acht kulturhistorische Portraits, Deutsches Museum, 2002

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